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Berlin: Kraftfahrer bei einer Verkehrskontrolle misshandelt Vier Polizisten wegen brutalen Übergriffs vor Gericht

Von Kerstin Gehrke Als Mustafa M. das Polizeifahrzeug mit Blaulicht hinter sich bemerkte, räumte er die Kreuzung.

Von Kerstin Gehrke

Als Mustafa M. das Polizeifahrzeug mit Blaulicht hinter sich bemerkte, räumte er die Kreuzung. Er wollte seine Pflicht als Verkehrsteilnehmer erfüllen. Was er wenig später erlebte, kann er bis heute nicht begreifen. „Sie haben die Tür geöffnet, mir eine Waffe an den Kopf gehalten, mich aus dem Auto gerissen, auf die Straße geschmissen und mit dem Kopf auf das Pflaster gedrückt“, sagte er vor dem Amtsgericht Tiergarten. Dort müssen sich seit gestern vier Polizeibeamte verantworten, die den 32-jährigen Türken bei einer Verkehrskontrolle misshandelt haben sollen.

Der Kraftfahrer, den die Beamten in der Nacht des 16. April 2000 bei seiner Fahrt durch Neukölln für einen „verdächtigen Verkehrsteilnehmer“ hielten, lag dann gefesselt auf der Straße – mit den Beinen unter dem Polizeifahrzeug. „Plötzlich startete der Mannschaftswagen, fing an zu rollen", sagte er im Prozess. Er habe sich gerade noch wegziehen können, um nicht überfahren zu werden. Dann seien er und sein damaliger Beifahrer in das Polizeiauto geworfen worden. „Ich wusste gar nicht, was los war", meinte der Mann, der bei der Verkehrskontrolle Verletzungen am Kopf, Brustkorb und am Knie erlitt. Mehrere Wochen war er krank und verlor daraufhin seinen Job.

Eine Entschuldigung der Beamten hörte Mustafa M. damals nicht und auch nicht im Prozess. Die vier Polizisten – drei Männer und eine Frau – bestritten die Vorwürfe der Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung im Wesentlichen. Nach ihrer Version hatte sich Mustafa M. in jener Nacht einer Trunkenheitsfahrt verdächtig gemacht. „Der Lkw ist uns wegen seiner Fahrweise aufgefallen, er schleuderte“, sagte der 38-jährige Dirk K. Der Fahrer habe sich weder durch Lautsprecherdurchsagen noch durch Martinshorn und Blaulicht stoppen lassen. Als der große Kühlwagen an der Kreuzung schließlich stand, „sah mich der Fahrer panisch an und legte den Rückwärtsgang ein". Deshalb seien Maßnahmen ergriffen worden, um eine mögliche Flucht zu verhindern, meinte der Polizeikommissar.

In dem Polizeiwagen saßen insgesamt acht Beamte. Warum Mustafa M. und sein damaliger Beifahrer nicht von mehreren Polizisten festgehalten wurde, warum den beiden Männern Handfesseln angelegt wurden, wollte der Staatsanwalt wissen. „Damit kein Widerstand entsteht“, sagte ein 29-jähriger Beamter. Keiner der Angeklagten sprach von einer wirklichen Gegenwehr der beiden Männer. Sie hätten „gezappelt“, sagte Polizist K. Seine Kollegin Daniela S. gab zwar zu, dass der Mannschaftswagen auf den Mann am Boden zurollte. Sie aber habe als Fahrerin des Wagens nicht gesehen, dass M. auf der Straße lag. „Eine Festnahme zwischen zwei Fahrzeugen ist auch nicht üblich“, meinte sie. Zudem sei bei dem leichten Zusammenstoß der beiden Wagen ihr Außenspiegel beschädigt worden.

Mustafa M. hätte die Angeklagten nicht angezeigt. Es waren Beamte der gerufenen Unfallbereitschaft, die Ermittlungen von Amts wegen aufnahmen. Eine Polizistin, die den Hergang des Unfalls erkunden wollte, war bei den Angeklagten auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. „Kein Kollege fand sich, der mir sagte, was passiert war", sagte sie als Zeugin. Sie hätte sich ihre Gesprächspartner allein suchen müssen. „Normalerweise spricht mich in einer solchen Situation der Gruppenleiter an“, meinte sie. Seltsam erschien ihr auch, dass am Vorfall beteiligte Beamte unterschiedliche Angaben darüber machten, wie oft M. mittels Lautsprecher zum Halten aufgefordert wurde. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

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