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31 Menschen sind in Berlin an dem Ehec-Erreger erkrankt.

© Paul Zinken

Krankheitsfälle: Furcht vor Ehec: Menschen fühlen sich im Stich gelassen

Niemand fühlt sich zuständig: Es gibt keine Hotline für Bürger, die wegen Ehec und Hus Auskunft suchen. Kliniken und Ärzte sind einzige Ansprechpartner. Die Gesundheitsverwaltung sieht indes keine Krisenlage.

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Es fehlen Ansprechpartner beim Robert-Koch-Institut (RKI) oder in der Gesundheitsverwaltung. Karin Braun war deshalb am Samstagabend verzweifelt. Ihre Freundin Christa H. liegt mit dem durch Ehec hervorgerufenen hämolytisch-urämischen Syndrom (Hus) im Charité-Klinikum. Ihr Zustand ist schlecht, sie wurde ins künstliche Koma versetzt. Karin Braun selbst ist seit Tagen verunsichert, ob sie möglicherweise selbst den gefährlichen Erreger in sich trägt. Nachdem sie am Sonnabend telefonisch nicht weiterkam, bat sie den Tagesspiegel um Hilfe. Doch auch für die Redaktion war beim RKI nur der Pförtner erreichbar. „Bei uns ist niemand im Haus, erst am Montag wieder“, lautete die Antwort.

Beide Frauen kennen sich seit 43 Jahren. Sie waren für eine Woche in Lübeck im Wellness-Urlaub gewesen. „Wir sind am 15. Mai in den Kartoffelkeller gegangen und haben dort gegessen.“ Der Kartoffelkeller gilt, wie berichtet, als eine mögliche Ehec-Hauptinfektionsquelle. Frau Braun erinnert sich genau, dass sie ein Bauernfrühstück gegessen habe, ihre Freundin Bratkartoffeln, Sülze und Salat. „Ich bin kein Salatfan“, sagt die 62-Jährige, ihre Freundin dagegen sei es schon. Auch im Hotel habe es jeden Tag am Büffet diverse Rohkostsalate gegeben.

Eine Woche nach der Rückkehr bekam ihre Freundin Durchfall und hatte große Schmerzen. Es ging ihr von Tag zu Tag schlechter. Sie rief einen Notarzt, der ihr den dringenden Rat gab, sofort in die Klinik zu gehen. Christa H. war ein paar Tage im Gertrauden-Krankenhaus und wurde in einem Einzelzimmer behandelt. Mitte vergangener Woche verlegte das Krankenhaus Christa H. in die Charité, Campus Virchow. Seit Donnerstag liegt Christa H. im künstlichen Koma. „Der Zustand meiner Mutter hat sich drastisch verschlechtert. Aber die Ärzte tun, was sie können“, sagte ihr Sohn Oliver H. dem Tagesspiegel.

Seine Mutter habe ihm noch Anfang der Woche erzählt, dass sich jemand vom Gesundheitsamt angemeldet habe, um mit ihr zu sprechen. „Ich glaube nicht, dass sie noch interviewt wurde, weil sie dann verlegt wurde.“ Auch mit Karin Braun hat bisher kein Behördenvertreter gesprochen, obwohl sie vielleicht wichtige Informationen geben könnte. „Als ich in der Charité anrief, um mich über meine Freundin zu erkundigen, fragte mich der Arzt sofort, wie es mir geht. Er gab mir den Rat, sofort ins Krankenhaus zu gehen, falls ich Durchfall bekomme.“

Karin Braun und Oliver H. loben das Personal der Charité. Deren Ärztlicher Direktor, Ulrich Frei, kritisierte das Krisenmanagement des RKI. Patienten seien nicht interviewt worden, die Informationspolitik müsse besser werden. Auf Anfrage verwies RKI-Sprechern Susanne Glasmacher am Sonntag auf die Verantwortung der Länder für Infektionsschutz und Lebensmittelsicherheit. Das RKI habe „keine Aufgaben in der Bürgeraufklärung“.

Zurzeit gibt es täglich bis aufs Wochenende Telefonkonferenzen zwischen Bundesbehörden, RKI und Landesgesundheitsämtern. Der Charité-Direktor lobte den Informationsaustausch mit der Berliner Infektionsschutzbeauftragten Marlen Suckau. Obwohl viele sich fragen, wie sie sich vor Ehec schützen können, sieht die Gesundheitsverwaltung keine Notwendigkeit, eine Hotline einzurichten. „Wir haben noch keine krisenhafte Situation in Berlin“, sagt Sprecherin Regina Kneiding. Sie verweist auf Informationen im Internet. Auf der Website der Senatsgesundheitsverwaltung ist bis auf eine kurze Pressemitteilung nichts zum Thema zu finden.

Bisher hatten rund 125 von 180 bei Lebensmitteln entnommene Proben in Berlin noch keinen Nachweis auf Ehec erbracht. Bis Sonntag behandelte die Charité 21 Ehec-Fälle, darunter zwei Kinder. Zwölf dieser Patienten leiden an Hus, zwei davon zeigen neurologische Symptome. „Die Situation in der Charité ist noch handhabbar“, sagt Ulrich Frei. Dramatisch ist dagegen die Belastung für das Pflegepersonal in Hamburg und Schleswig-Holstein. Die Charité sendet am Montag zwei Intensivpflegekräfte nach Kiel und Lübeck zur Unterstützung.

Ihr ärztlicher Direktor sieht die Situation in Berlin auf stabilem Niveau: „Hier gibt es offenbar keine Infektionsquelle. Wir haben unter den Patienten keine Primärfälle.“ Alle Patienten haben sich außerhalb Berlins mit dem Keim infiziert. Bei Karin Braun sind bisher keine Symptome einer Ehec-Erkrankung aufgetreten.

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