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Sechs für Friedenau. Sie haben sich im Rahmen ihrer Initiative für den Breslauer Platz etwas einfallen lassen: Denkmalpfleger Peter Limburg, Künstler UweElfert, Philosoph Ottmar Fischer, Anwohner Gregor Mann, Ewald Mahr und Architekt Joachim Glässel (von links).

© Thilo Rückeis

Kreative Protestbewegung: Bürger wollen Berlins Plätze mitgestalten

Wie Stadtplaner mit öffentlichem Raum umgehen, ist Bürgern nicht egal. Im Gegenteil. Anwohner, Künstler und Denkmalpfleger verbindet das Ziel, verkommene Plätze in Kieztreffpunkte zu verwandeln.

Wenn es um ihren Lebensraum geht – und so verstehen die Anlieger den Breslauer Platz – treten sie in Mannschaftsstärke auf. Die Herren sind Architekten, Künstler, Philosophen, Denkmalpfleger – oder stellen sich einfach nur als Anwohner vor. Ihr gemeinsames Ziel: den von Autos zugeparkten, mit Pollern und einem verwitterten Baustellen-Zaun verstellten Platz zwischen Bushaltestelle, denkmalgeschütztem Kiosk-Pavillon und Rathaus Friedenau in einen Kieztreffpunkt zu verwandeln.

Plätze in Berlin sind oft genug Ergebnis eines Missverständnisses zwischen Planern und Bürgern. Dies gilt jedenfalls an vielen Orten im Westen der Stadt. Dagegen haben auf den urbanen Spielwiesen der Trendquartiere von Prenzlauer Berg, zeitgleich mit der Sanierung der Mietshäuser, junge Mütter Plätze und Parks in Besitz genommen: Wenn Bugaboo-Kinderwagen anrollen, dann serviert das Café um die Ecke den Latte Macchiato auch mal an der Parkbank neben dem Sandkasten.

Wer glaubt, der öffentliche Raum im Westen interessiere niemanden, irrt. Seit einigen Jahren betreiben Initiativen mit viel Tatkraft das Aufhübschen ihres Umfeldes. Ihre Professionalität beeindruckt zuweilen: Architekt Joachim Glässel steuerte eine maßstabsgerechte Planung für die Umgestaltung des Breslauer Platzes bei. Wer ihn hört, ist überrascht von der Qualität der Pläne: Die Autos sollen vom Platz verschwinden, die Lauterstraße am Rand soll für den Verkehr geschlossen, der gewonnene Bereich dem Platz zugeschlagen werden. Die um 1875 einsetzende Bebauung Friedenaus wurde im Jahre 1929 auf dem Platz durch den von Heinrich Lassen im Bauhausstil errichteten Haltestellenpavillon ergänzt. Dieser könnte saniert und um ein Café erweitert werden. Gäste könnten die seit langem stillgelegten öffentlichen Toiletten unter dem Pflaster nach einer Renovierung nutzen.

Den größten Teil der Fläche unter dem Platz will die Initiative in eine „Kulturhaltestelle“ umwandeln. Weil Tageslicht durch die Oberlichter in die Räume fällt, eignen sie sich für Veranstaltungen, für einen Büchertausch und für eine ständige Ausstellung über den Kiez, der von Literaten und Künstlern so geschätzt wird. In Friedenau wohnt Nobelpreisträgerin Herta Müller. Günter Grass hatte hier eine Wohnung, und auch der Autor Erich Kästner, der Komponist Max Bruch, der Maler Ludwig Kirchner, die Politikerin Rosa Luxemburg lebten einmal hier.

Vor allem aber schlägt das „Herz von Friedenau“ am Breslauer Platz – weil hier Markt ist, einer der ersten in Berlin. Weil man hier einkauft, sich trifft, Gerüchte und Meinungen austauscht. Auch die Initiative hat ihren Stand hier zwischen den Händlern und rekrutiert ihre Mitstreiter. 100 haben sie schon hinter sich.

Dass sich Berliner in ihrem Quartier in die Details der Planungen einmischen, sieht der zuständige Stadtrat von Tempelhof-Schöneberg Oliver Schworck durchaus positiv. Auch wenn er einräumt, dass es „in den Verwaltungen nicht immer verbreitet war, die Wünsche der Bevölkerung aufzunehmen“. Er selbst sei aber angetreten mit dem Ziel, das bürgerschaftliche Engagement zu unterstützen. Daher nimmt er auch mal eine „Extraschleife“ in Kauf: Es gab schon einmal Pläne für die Umgestaltung des Breslauer Platzes, doch als der Bezirk sie den Anwohnern präsentierte, fielen sie durch. Neue Grundlage für die Gespräche zwischen Verwaltung und Kiez sind nun die Vorschläge der Initiative und ihrer Architekten, darunter Peter Lemburg. Viele davon unterstützen Schworck und auch die BVG, der der Pavillon gehört.

Ähnliches geschieht am Bayerischen Platz. Dort ging die Initiative von Händlern und Anliegern aus. Der Platz war eigentlich keiner mehr, die Verwaltung hatte ihn in Straßenland umgewidmet, um den Pflegeaufwand zu senken. Im Jahr 2007 griff die Initiative „Verein Quartier Bayerischer Platz“ ein. Bald sollen hier weiße Rosen auf einem Teppich von blau blühendem Salbei stehen, die Farben Bayerns. Gepflanzt und gepflegt wird das Grün von der Initiative. Das Geld für die Pflanzen kommt vom Bezirk. Auch einen Weihnachtsbaum wird es in diesem Jahr wieder geben. „Die Kooperation mit dem Bezirk läuft gut“, sagt Ulrich Höfeler von der Initiative. Höfeler betreibt ein Reformhaus am Platz; er sieht die Initiative auch als Kampf gegen den Leerstand von Ladenflächen. Wo Parks und Wege verkümmern, halten sich Menschen nicht auf und das schadet den Händlern, findet er.

Aber es geht auch um die Geschichte des Ortes. Vor dem Krieg war die jüdische Gemeinde am Bayerischen Platz stark. Erinnerungstafeln an den Laternen dokumentieren Diskriminierung und Deportierung. Immer wieder verfolgen Touristen diese historischen Spuren, ihnen möchte die Initiative einen Treffpunkt bieten. Raum wäre im zurzeit nicht benutzten Teil des U-Bahnhofs, sagt Höfeler.

Den Bundesplatz zerfurcht eine Verkehrsschneise, die ausgerechnet dort in den Untergrund abtaucht. Die Planer der autogerechten Stadt hatten es in den Sechzigern so gewollt, heute klagen die Bewohner darüber. Wo Geld da ist – wie am Breitscheidplatz – lässt der Bezirk den Tunnel zuschütten. Dieses Ziel verfolgt auch die Initiative am Bundesplatz. „Langfristig“, wie Ewald Mahr sagt, dem bewusst ist, dass die Kassen leer sind. Untätig ist die Initiative deshalb nicht. Den Grünstreifen an der Westseite des Platzes, der zwischen der in den Tunnel mündenden Trasse und der oberirdischen Fahrbahn liegt, haben sie gereinigt. Säckeweise leere Schnapsflaschen und Spritzen lagen dort. Die Initiative beschaffte Mutterboden und der Bezirk finanzierte 1020 Pflanzen, unter anderem Anemonen, Gräser, Astern und Tulpen. Mehr als 600 Arbeitsstunden leisteten die Mitglieder der Initiative, und sie trug 500 Euro Spenden zur Umgestaltung bei. „Die Ostseite nehmen wir uns auch noch vor“, sagt Mahr.

Es bleibt noch viel zu tun: Papierkörbe müssen her. „Und die Mauern müssen weg.“ Die umfassen das „Tunnelbegleitgrün“, wie Mahr den Parkstreifen zwischen Fahrbahnen nennt, groß wie ein Fußballfeld. Vielleicht könnten aber auch Künstler den vielen Beton gestalten, junge Sprayer zum Beispiel. „Wir müssen uns noch stärker vernetzen“, sagt Mahr.

Mit Studenten der Bauhaus-Universität in Weimar ist das schon gelungen: Sie legten Entwürfe für die Umgestaltung vor, die sogar im Amerika-Haus am Bahnhof Zoo ausgestellt wurden. Da wollte die Initiative der Verwaltung mal zeigen, was so alles aus eigener Kraft geht. Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer ließ sich nicht blicken.

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