zum Hauptinhalt
kreuzberg

© Mike Wolff

Kreuzberg: 21-Jähriger bestreitet Vorwürfe und darf wieder nach Hause

Viktor W. will keine scharfe Waffe und keine Mordabsichten gehabt haben. Er hatte am Dienstag einen Großeinsatz der Polizei in der Kreuzberger Wrangelstraße ausgelöst. Im Oberstufenzentrum stand gestern unterdessen Stressbewältigung auf dem Stundenplan.

Es ist wieder Normalität eingekehrt – scheinbar. Die Schüler stehen vor dem Kreuzberger Oberstufenzentrum, rauchen, lachen. Am Dienstag hatte die Polizei nach einer Morddrohung hier alles abgesperrt, Männer mit schwarzen Helmen und Schutzschilden verschwanden hinter der rot-weißen Flatterleine. Doch am Tag danach sind der SEK-Einsatz und der befürchtete Amoklauf immer noch Hauptgesprächsthema auf dem Schulhof. Manche scherzen darüber, andere nehmen es sehr ernst. Eine Schülerin erzählt, sie habe ihre besorgte Mutter morgens überreden müssen, zur Schule gehen zu dürfen.

Der 21-Jährige, der Kreuzberg am Dienstag in Angst und Schrecken versetzte, ist inzwischen wieder zu Hause. Zuvor hatte Viktor W. zugegeben, mit einer Pistole die Schule an der Wrangelstraße betreten zu haben. Er habe seine Freundin aus der Schule abholen wollen – was sowohl das Mädchen als auch die Lehrerin mittlerweile bestätigt haben. Allerdings trug er nach eigenen Angaben keine scharfe Pistole, sondern lediglich eine Soft-Air-Waffe unter der Jacke. Und Viktor W. bestreitet, dass er in der Schule jemanden umbringen wollte. Dies hatten die drei Schüler berichtet, die den Rektor vor dem bewaffneten Mann gewarnt hatten. „Mangels Haftgründen“ verzichtete die Staatsanwaltschaft auf eine Richtervorführung. Ermittelt wird wegen der „Störung des öffentlichen Friedens durch die Androhung von Straftaten“. Wie berichtet, hatten Dutzende SEK-Beamte vier Stunden die Schule durchsucht. Der 21-Jährige war am Dienstagabend in seiner Wohnung festgenommen worden.

Am nächsten Morgen erinnert vor allem ein hoher Stapel Flugblätter an den befürchteten Amoklauf. Die Schulleitung informiere die Schüler „offensiv“, sagt Rektor Martin Stern. In den Klassen stand heute nicht Mathematik, sondern Stressbewältigung auf dem Stundenplan. Zwei Schulpsychologinnen haben einen eigenen Raum bezogen, um verängstigten Schülern auch in den nächsten Tagen ihre Hilfe anzubieten. Groß war die Nachfrage bislang allerdings nicht.

Aber vielleicht verarbeiten die Schüler den Tag lieber auf dem Schulhof, unter Gleichaltrigen. So wie die Fachoberschüler Martina (23) und Sebastian (23), die am Dienstag um kurz vor 10 Uhr ankamen, als schon alles abgesperrt war. „Ich habe gedacht: Was wäre, wenn ich früher da gewesen wäre? Was wäre, wenn mich wer angeschossen hätte?“ sagt Martina – und klingt nachdenklich, als sie hinzusetzt. „Man denkt immer, das passiert einem selber nicht.“

Dass der mutmaßliche Täter noch am selben Tag gefasst wurde, macht das Verarbeiten leichter. „Jetzt ist ja alles entschärft“, sagt Martina. Sie habe deshalb heute keine Angst gehabt zur Schule zu kommen. Ebenso geht es Sebastian, der die ganze Sache zunächst für einen Scherz hielt: „Ich hab’ keine Angst, das ist eine sichere Schule.“ Die Gesamtschülervertreterin Franziska Berge befürchtet jetzt allerdings, dass das Oberstufenzentrum jetzt als Problemschule angesehen werde. „Das sind wir definitiv nicht“, sagt sie und beginnt die zahlreichen Schul-Projekte aufzuzählen: gegen Rassismus, gegen Gewalt, Diskriminierung…

Der Schulleiter zeigt sich nachträglich zufrieden mit seiner schnellen Reaktion auf die Krise: „Wir haben von allen Seiten die Rückmeldung bekommen, dass wir alles Nötige getan haben“, sagte er.

Florian Höhne

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false