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Drogenhandel am Kottbusser Tor

© David Heerde

Kreuzberg: Anwohner wollen drogenfreien "Kotti" haben

Eine Kreuzberger Initiative demonstriert gegen Dealer am Kottbusser Tor. Doch dieses Anliegen findet nicht überall Anklang: Von autonomen Linken werden die Demonstranten als "Yuppies" beschimpft.

Ein Mann steht auf zwei Obstkisten vor dem Gemüsestand am Kottbusser Tor und brüllt: „Wir wollen ein dealerfreies Kreuzberg!“ Eine Demonstrantengruppe, die ihn umringt, applaudiert. Auch ein paar ältere Damen, die sich warm eingepackt haben, hören zu, eine nickt heftig, „ja, das wäre mal was!“. Ingeborg Wienert lebt schon ihr ganzes Leben lang in Kreuzberg. Vor knapp dreißig Jahren ist sie in eines der Hochhäuser am „Kotti“ gezogen. „Früher war das ganz gut, aber jetzt wollen mich meine Kinder aus Steglitz und Lankwitz hier nicht mehr besuchen kommen“, sagt sie, „wegen des U-Bahnhofs und dem Dreck im Hauseingang.“

Rund 80 Anwohner und Gewerbetreibende aus Kreuzberg sind am Samstag zur Kundgebung gekommen, die von der „Initiative Kottbusser Tor“ organisiert wurde. Sie hatte bereits im November 2008 einen offenen Brief an Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) und mehrere Senatspolitiker geschickt. Bei den seither regelmäßig stattfindenden Anwohnertreffen artikulieren immer mehr Kreuzberger ihre Probleme: Benutzte Heroinspritzen auf Spielplätzen, Blutflecken und Urin in den Eingängen der umliegenden Häuser und Kinder, die als Drogenkuriere missbraucht werden. Die Probleme haben sich verschärft, seit Dealer und Junkies im vergangenen Jahr in die Öffentlichkeit gedrängt wurden, nachdem Parkhäuser und andere Schlupflöcher dichtgemacht wurden.

Zum Protest sind auch Gegner der Bürgeriniative gekommen, Autonome und Linke, die „Junkies bleiben, Yuppies vertreiben“ auf ihre Banner geschrieben haben. „Sehen wir aus wie Yuppies?“, fragt der Sozialarbeiter Yasaroglu. Als einige der Anwohner sich mit Plakaten vor die Autonomen stellen, bricht ein heftiger Streit aus. „Ihr seid Mörder“, brüllt ein Langhaariger unvermittelt, der gegen die Vertreibung der Junkies aus dem Kiez ist. Ein junger Türke hält ihm ein großes Foto von Blutflecken und einer benutzen Spritze entgegen und brüllt: „So enden unsere Kinder, wenn wir nichts tun.“

Eigentlich hatte sich die Initiative vor ein paar Monaten gebildet, um eine Eskalation zwischen wütenden Anwohnern und den Leuten aus der Drogenszene zu vermeiden. In ihren Briefen an den Bürgermeister forderten die Absender, dass Toiletten für Drogenkonsumenten und mehr Druckräume für Fixer eingerichtet werden. Doch inzwischen haben sich der Bewegung viele Leute angeschlossen, die eine Säuberung der Gegend wünschen. „Die sollen woanders hin“, sagt etwa Filiz Altunok, „ich muss hier meine Kinder großziehen.“ Sie ist Mitglied bei „Mütter ohne Grenzen“, eine Gruppe, die sich schon vor über drei Jahren zusammengetan hat, um die Dealer zu vertreiben.

Viele Anwohner fühlen sich von der Politik mit dem Problem am Ort alleingelassen. Als vor zwei Wochen bekannt wurde, dass auch der letzte Drogenkonsumraum in der Dresdener Straße geschlossen werden soll, gab es erneut Wutausbrüche auf den Versammlungen. Und ein Ratschlag des Bezirksbürgermeisters sorgte für Empörung: „Menschen, die hier leben, werden ihren Kindern sagen müssen, dass Drogenmissbrauch nichts ist, was man mit einem Fingerschnippen wegbekommt“, sagte Schulz im RBB-Fernsehen. „Statt uns Erziehungstipps zu geben, sollte der Bürgermeister lieber helfen, das Problem zu lösen“, erwidert Yasaroglu nun bei der Demo.

Längst hat Schulz das Problem erkannt und die Drogenszene am „Kotti“ zur Chefsache erklärt. Am 4. März will er allen Beteiligten die Lösungsvorschläge vorstellen, die sein Bezirksamt inzwischen erarbeitet hat. Er erwarte allerdings keine schnelle Lösung des Problems. „Das wird ein langer Prozess“, sagte Schulz dem Tagesspiegel. Immerhin: Als Ersatzort für den ohnehin zu kleinen „Fixpunkt“-Raum, der geschlossen werden soll, will er in der Kottbusser Straße 8 anfragen. Dort soll ein kurdisches Café schließen, das dafür „ideal“ wäre.

Ferda Ataman

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