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Kreuzberg: Gottesdienst auf Türkisch

In der Kreuzberger Bergmannstraße wird regelmäßig ein türkischsprachiger Gottesdienst gefeiert. Neben Bulgaren und Türken kommen auch interessierte muslimische Besucher vorbei.

In den Räumen der Evangelischen Freikirchlichen Gemeinde Kreuzberg finden sich an diesem Sonntag fünf Männer in den ersten vier von neun Stuhlreihen zusammen. „Heute sind es wenige“, sagt Marcus Gladrow, Seelsorger für Migranten. Seit 2008 feiert er mit seiner Gemeinde an jedem zweiten und vierten Sonntag im Monat einen türkischsprachigen Gottesdienst. Die Gemeinde stellt dafür ihre Räume in der Bergmannstraße 22 zur Verfügung. Beginn ist stets um 15 Uhr. Wer zu spät kommt, muss klingeln.

Der Gottesdienst beginnt mit der Eingangshymne „Anlatsam Dinler Misin – Würdest du zuhören, wenn ich erzähle“. Im Anschluss begrüßt Gladrow die Gemeinde auf Türkisch. Es folgt die Hymne „Uzun yillar – Viele Jahre“. Die Liedtexte werden an die Wand projiziert, unterlegt mit Bildern von grünen Seelandschaften, Früchten oder schneebedeckten Ästen. Gladrow begleitet die Gemeinde auf der Baglama, eine Langhalslaute, die in der türkischen, kurdischen und iranischen Musik gebräuchlich ist. An diesem Sonntag singt die Gemeinde ausschließlich türkische Kompositionen, sonst auch Übersetzungen christlicher Hymnen. Die Lieder werden meist von den Besuchern während des Gottesdienstes vorgeschlagen.

Pastor Wolfgang Andler predigt auf Deutsch, Gladrow übersetzt ins Türkische. Andler liest aus dem ersten Petrusbrief vor, Kapitel 1, Vers 13 bis 19. Ein junges Paar kommt mit seinen beiden kleinen Töchtern herein. Andler und Gladrow unterbrechen ihren Vortrag und begrüßen sie: „Merhaba.“ Die Eltern nehmen Platz, die Kinder gehen raus und werden von Gladrows Frau betreut, erhalten ihre eigene Bibelstunde.

Die Rolle der Väter

„Momentan kommen regelmäßig zwischen zwölf und 15 Erwachsene sowie einige Kinder“, hat Gladrow vor dem Gottesdienst erzählt. Die Mehrzahl seien türkisch sprechende Menschen aus Bulgarien, deren Deutsch noch keine wirkliche Teilnahme an deutschsprachigen Gottesdiensten zulässt. Einige stammen aus der Türkei, haben hier ihr religiöses Zuhause gefunden. „Manchmal kommen aber auch interessierte muslimische Besucher vorbei.“ Der Besuch von Angehörigen der orientalisch-christlichen Minderheiten wie Armeniern, Syrisch- und Griechisch-Orthodoxen sei die Ausnahme.

1. Buch Mose, Kapitel 2, Vers 16 bis 27: Andler und Gladrow warnen vor Versuchungen, predigen Gehorsam. Es klingelt. Ein Mann, Mitte 30, kommt herein. Kurze Unterbrechung. „Merhaba, Orhan“, begrüßt ihn Gladrow. Es geht weiter um die Rolle der Väter, darum, auch Gott als Vater anzurufen. Gladrow übersetzt, was Andler noch gar nicht gepredigt hat. Als er es ausspricht, gesteht Gladrow, dass er schon übersetzt hat. Beide lachen. Es klingelt. Zwei Männer, Mitte 20 und 40, spazieren zu den vorderen Reihen. „Merhaba“, sagt Andler, sichtlich erfreut.

Gegen Ende des Gottesdienstes wenden sich die Besucher mit freien Gebeten an Gott. Dessen Lob und Anbetung führen zum Brotbrechen hin – dem Gedenken an Jesu Opfertod mit den Symbolen Brot und Traubensaft. Nach dem Gottesdienst findet sich die Gemeinde zum Essen zusammen. Bei einem im Samowar zubereiteten türkischen Tee tauschen sie sich über alles aus, was sie bewegt. Der nächste türkischsprachige Gottesdienst findet am 12. Oktober statt.

Cetin Demirci

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