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Kreuzberg: Keine Pappe? Kann man doch kaufen…

Ein Kreuzberger Fahrschullehrer und ein TÜV-Prüfer sollen Führerscheine gegen Geld vergeben haben. Jetzt wurde Anklage erhoben.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen einen Mitarbeiter des Berliner TÜV und einen Fahrlehrer aus Kreuzberg erhoben. Sie sollen Fahrschülern, die weder die deutsche Sprache noch die Regeln des Straßenverkehrs beherrschten, gegen Geld zum Führerschein verholfen haben. Die Vorwürfe richten sich gegen den Inhaber einer Kreuzberger Fahrschule, Efe Abdullah S., dessen Lebensgefährtin sowie TÜV-Prüfer Lutz Peter S. Alle drei sollen an Prüfungsbetrug in großem Umfang beteiligt gewesen sein.

Die Masche mit den erkauften Führerscheinen flog 2006 auf, als Berliner Ermittler Hinweise über die Machenschaften in der Fahrschulszene verfolgten. Zuerst flogen der Prüfer Norbert F. und der Inhaber der Fahrschule Firat, Hasan T. auf; sie wurden zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Doch das betrügerische Duo war offenbar nicht allein.

Bei dem aktuellen Fall geht es um eine Vielzahl von mündlichen Theorieprüfungen, die eigentlich nur in Ausnahmefällen bei Analphabeten angewendet werden dürfen. Statt der üblichen schriftlichen Gruppentests zum Ankreuzen bekamen die Prüflinge laut Anklage die Fragen im Einzelverfahren vorgelesen. Die hoffnungslosen Fälle sollen dank kleiner, kostenpflichtiger Hilfestellungen die richtigen Antworten gegeben haben. Laut Anklageschrift haben zwischen 2003 und 2006 rund 880 Anfänger der Fahrschule bei Prüfer S. ihren Test in Sondersitzungen gemacht.

Die Ermittler stellten fest: Während in den Prüfungen von TÜV-Mitarbeiter S. im Jahr 2003 noch fast jeder zweite Kandidat durchfiel, sank seine Durchfallquote im Jahr darauf auf null Prozent. Auch in den folgenden zwei Jahren soll bei S. fast jeder Prüfling den Test bestanden haben. Und: Der TÜV-Mann führte demnach auffallend mehr Einzelprüfungen durch, als seine Kollegen – 2005 etwa doppelt so viele, 2006 noch deutlich mehr als die anderen. Verdächtig ist außerdem die Auswertung der Prüfpläne. TÜV-Prüfer S. soll an einem einzigen Tag 33 Tests durchgeführt haben. Als Dauer für eine reguläre mündliche Prüfung sind allerdings 30 bis 45 Minuten vorgesehen.

Laut Anklageschrift hat der Fahrschulinhaber S. für die Erfolgsgarantie 1500 Euro Pauschalhonorar von seinen Fahrschülern kassiert. TÜV-Prüfer S. dagegen habe für eine Prüfung, bei der ein wenig nachgeholfen wurde, rund 350 Euro erhalten – insgesamt habe er so mindestens 90 000 bis 150 000 Euro erhalten. Seine Spezialkunden kamen auch vom bereits verurteilten Fahrschulleiter Hasan T. Doch den Hauptteil bezog S. aus der jetzt in Verdacht geratenen Fahrschule. Der Verteidiger von TÜV-Prüfer S. will sich nicht zu den Vorwürfen äußern, und auch der Anwalt von Fahrschullehrer S. war trotz mehrmaliger Anfrage nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

„In den Jahren 2002 bis 2006 fanden mehrere Tausend mündliche Prüfungen statt“, sagt Thomas Mach vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO). „Inzwischen gibt es so gut wie keine mehr“, das sei nur noch mit einer behördlichen Genehmigung möglich. Seit dem Firat-Prozess ist eine Sonderkommission (LABO) damit beschäftigt, 6000 Fahrlizenzen vom Berliner TÜV zu prüfen. „Durch den neuen Fall können das durchaus noch mehr werden“, sagt Mach. Bislang habe die Ermittlergruppe 4400 Führerscheine auf ihren rechtmäßigen Erwerb untersucht. Über 3000 Menschen seien daraufhin aufgefordert worden, ihre Fahrkenntnisse erneut unter Beweis zu stellen, doch ein großer Teil Ex-Prüflinge sei dazu nicht bereit gewesen. Insgesamt mussten über 1500 Betroffene ihren Führerschein abgeben, entweder weil sie sich weigerten, die Prüfung zu wiederholen oder weil sie dabei durchfielen.

Ferda Ataman

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