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Berlin: Kreuzberger Karriere: Vom Steinewerfer zum Werbetexter

Er hält den Pflasterstein in der rechten Hand, der Arm ist schon zum Wurf erhoben. Der Straßenkämpfer steht als stilisierte sonnengelbe Figur auf einer blutroten Straße, die im Zickzack übers Papier läuft.

Er hält den Pflasterstein in der rechten Hand, der Arm ist schon zum Wurf erhoben. Der Straßenkämpfer steht als stilisierte sonnengelbe Figur auf einer blutroten Straße, die im Zickzack übers Papier läuft. Rechts und links daneben stehen Texte wie dieser: „Wir brauchen toughe Jungs und Mädchen … Wir wollen clevere Teamdenker, die ihr aggressives Potential positiv zu nutzen wissen und mit Köpfchen kombinieren.“ Dieses Flugblatt, das am 1. Mai auf Kreuzberger Straßen und im Demozug in Mitte verteilt wurde, bietet „lukrative Quereinsteiger-Jobs in Berlins neuem Media Network“. Klingt schräg, aber interessant. Wir lesen weiter.

Demoteilnehmer, die „positive Aggressivität, Risikobereitschaft und Kampfgeist“, aber auch „Respekt vor dem Eigentum“ mitbringen, sollen einen Fragebogen ausfüllen und sich per E-Mail oder telefonisch „bei den Assessment-Managern“ der Firma „mediaXwork.net“ melden. Wir versuchen es. Vergebens: Die E-Mail-Adresse existiert ebenso wenig wie die Telefonnummer oder die von „mediaXwork.net“ angegebene Kreuzberger Adresse am Görlitzer Ufer 235. „Nummer unvollständig, nicht registriert, Empfänger unbekannt“, lauten die elektronischen Auskünfte auf die Recherche.

Der professionell gestylte und getextete Flyer ist eine Fälschung, ein frecher Scherz-Artikel am Rande der Randale. Schade eigentlich, sieht man einmal von der leichten Tendenz zur Gewaltverherrlichung ab. Auf den ersten Blick sieht die Sache wie eine kreative Herausforderung für orientierungslose junge Kreuzberger aus. Wie eine Chance, eines Tages mit Werbetexten statt mit Steinen um sich zu werfen.

Auf den zweiten Blick verrät der bunte Flyer allerdings seinen Spaß-Charakter: „mediaXwork unterstützt den anarchistischen Spaß am 1. Mai in Berlin“, sagt das Kleingedruckte vorne drauf. Und der „Fragebogen“ auf der Rückseite ist purer Unernst: „Kannst du ein Bier mit dem Feuerzeug öffnen oder mixt du dir lieber einen Mojito?“, heißt eine der Fragen. Trotzdem birgt der freche Flyer auch eine Botschaft – zum Thema Deeskalation unter potenziellen jugendlichen Straßenkämpfern. Angesprochen werden „Leute, die die Muskeln spielen lassen, die aber auch kapieren, wann es genug ist, wann man stop sagen muss.“ Sollte es „mediaXworks“ wirklich nicht geben, könnte die Agentur von Sozialarbeitern erfunden werden. Steineschmeißer in die PR-Produktion! – und sei es als überbetriebliches Ausbildungsprojekt. Amory Burchard

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