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Kreuzberger Stadtführung: Von der Barrikade zur Party

Der Stadtführer Win Windisch nimmt seine Gäste auf die Spuren der vergangenen Jahrhunderte Kreuzbergs mit. Wo vor nicht allzu langer Zeit noch geschossen wurde, vergnügen sich heute Gäste aus aller Welt. Eine von zahlreichen Stadttouren durch Berlin, die wir in loser Folge vorstellen.

Im Görlitzer Park stehen vierzehn Besucher und blicken, während sie Win Windisch lauschen, von dem kleinen Hügel hinter dem Spreewaldbad hinunter. „Hier im Görlitzer Park war vor dem Krieg ein Bahnhof, unter dem ein Tunnel durchführte. An einem Ende des Tunnels gab es eine KPD-Kneipe, am anderen Ende eine NSDAP-Kneipe. Harte Zeiten für Sozialdemokraten, die von beiden Parteien verprügelt wurden!“

Windisch ist 29 Jahre alt, studiert Philosophie und Soziologie und ist leidenschaftlicher Stadtführer. „Ich habe vor über fünf Jahren damit angefangen, als ich meinen Freunden so ne´ Tour durch den Kiez anbot, weil ich wollte, dass sie mehr darüber erfahren, wo sie wohnen“. Auf den Touren spricht er von den Straßenkämpfen der zwanziger Jahre und den Barrikaden zur Kaiserzeit. Auch aktuelle Themen Kreuzbergs spricht Windisch immer wieder an, zum Beispiel steigende Mieten.

Es geht Windisch um die Geschichte der linken Arbeiterbewegung in Berlin und mit welchen Methoden sie agitierten. Über die Litfaßsäule am Spreewaldplatz, die auf Befehl des Berliner Polizeipräsident Karl Ludwig von Hinkeldey 1854 aufgestellt wurde, um der Wildplakatierung entgegenzuwirken, erzählt er: „Jeder, der schon mal plakatieren war, weiß, dass Plakate am Besten auf Litfaßsäulen kleben. So nutzten die damaligen Parteien denn auch die Litfaßsäulen, um ihre Botschaften zu übermitteln. Die Nutzung geschah gegen den Willen des Kaisers!“.

Die Route des jungen Mannes führt zum Maybachufer, wo die Touristen erfahren, was es mit den  berühmten Hinterhöfen Berlins auf sich hat. Von dort geht es vorbei an der jüdischen Synagoge am Fraenkelufer und zur Admiralsbrücke. Windisch erklärt, warum hier jeden Tag ab 22:00 Uhr die Polizei vor Ort ist. Auf dem Weg zum Kottbusser Tor erzählt Ulrich, 63, Lehrer am Oberstufenzentrum: „Leider war ich gestern der einzige Gast. Win hat dann gesagt, komm doch morgen, da kommen bestimmt mehr und das macht ja auch mehr Spaß. Und heute sind wir ja über ein Dutzend!“

Das gute Dutzend macht erst mal in einem türkischen Restaurant am Kottbusser Tor Pause und lernt sich bei einem Tee näher kennen. Behzad Sariaslani, 53, und seine Frau Edda, 54, kommen aus Hannover und besuchen ihre Tochter Mariam, die in Berlin ihre Ausbildung macht. „Meine Tochter hat uns von der Tour erzählt. Wir haben mal vor langer Zeit in Kreuzberg gewohnt und jetzt wollten wir uns den alten Kiez noch mal angucken.“

Zu entdecken gibt es in Kreuzberg viel. Überall kann man der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts begegnen. Da sind zum Beispiel die Fabrikgebäude, die inzwischen zu Techno-Clubs umgebaut sind - wie das „Ritter Butzke“ in der Ritterstraße, oder Restaurants beherbergen, wie das ehemalige Elektrizitätswerk in der Ohlauer Straße. Hier wurde bis zur Machtergreifung Hitlers agitiert, es wurden Flugblätter verteilt und es kam zu Straßenschlachten.

Wer sich für die wechselvolle Geschichte der Orte interessiert, die heute Partyorte, Flaniermeilen oder Gaststätten im Szenekiez sind und dabei auch einen Blick in die Zukunft Kreuzberges wagen will, sollte den versierten Stadtführer Windisch fragen. Die Stadtführungen gibt es auch für die Bezirke Prenzlauer Berg und Mitte. Jedes Wochenende oder nach Vereinbarung können die Touren gebucht werden, auf Wunsch auch in Englisch. Der Preis hängt von der Größe der Gruppe und gewünschter Länge ab.

Weitere Infos: Stadtführer: Win Windisch, Telefon: 0177-4259730, Email: winwindisch@googlemail.com, www.berlin-subversiv.de

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