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Der Krähwinkel von Mitte. Abends finden sich tausenden Vögel zum Übernachten zwischen Fernsehturm und Schlossbaustelle ein. Es sind einheimische Nebelkrähen, deren An- und Abflug jedes Mal ein Spektakel ist. 

© imago/blickwinkel

Kreuzberger Vogelattacken: "Aggro-Krähen": Die Rache der Natur?

In Kreuzberg greifen die Krähen an, im Allgäu zerkratzt ein Bussard einen Jogger, in Polen laufen Störche Amok. Geht Gaia jetzt zum Gegenangriff über? Eine Glosse.

Es macht „Krah, krah“, dann geht die Krähe in den Sturzflug über; der glatzköpfige Mann rettet sich mit einem Sprung nach vorne vor dem heranstürzenden Vogel. Die Krähe zieht sich selbstzufrieden auf eine Ampel zurück. So zu sehen in einem Youtube-Video, aufgenommen am Ufer des Landwehrkanals. In Kreuzberg greifen die Krähen an. Wer Hitchcocks „Die Vögel“ gesehen hat, stellt sich nun die Frage: Sind die „Aggro-Krähen“ (BILD) nur die Vorhut? Werden Neuköllner Spätis demnächst von Tauben verwüstet, die Scheiben des Kanzleramts von Spatzenschwärmen eingedrückt? Geht Gaia jetzt zum Gegenangriff über?

Die Zeichen sind da, man muss nur paranoid genug sein, um sie zu lesen: Erst kürzlich wurden unabhängig voneinander Jogger in der Eifel und im Allgäu von Bussarden angefallen und am Kopf verletzt. In Bremen wurde vor einigen Jahren eine Frau nach einem Krähenangriff blutüberströmt ins Krankenhaus eingeliefert. Und auch sonst friedliebende Vögel rasten plötzlich aus: Im kalifornischen Sonoma gingen Hühner auf eine Gruppe Kinder los. Damals kursierten Bilder von blutenden, schreienden 3-6 jährigen. An der amerikanischen Ostküste, in Boston, waren es die Truthähne, die auf einmal aggressiv wurden – vielleicht in Vorahnung dessen, was ihnen kurze Zeit später an Thanksgiving blühte. Und dann waren da noch die Amok-Störche aus dem polnischen Stubienko: Ohne ersichtlichen Grund schlachteten die Störche auf einmal die Hühner des Ortes ab. Hunderte starben. Das war dann zwar eine Vogel-interne Angelegenheit; aber es waren immerhin unsere Hühner.

Sind die Krähen nur die Vorhut?

Es scheint, wir haben die Natur lange genug getriezt. Die Menschheit hat jahrzehntelang die Luft verpestet, das Meer überfischt, die Erde vergiftet und die Seen versalzen. Wälder wurden zerstört, Arten ausgerottet. Wer könnte es der Natur verdenken, wenn Sie sich wehrt? Sind die Kreuzberger Krähen also nur die Vorhut für den Tag der Abrechnung? Schon in der Bibel heißt es schließlich, dass der vierte Reiter der Apokalypse Verderben bringen wird "durch Schwert, Hunger und Tod und durch die Tiere der Erde".

Die Krähen am Schöneberger Ufer verlegen sich am Mittwoch jedenfalls auf eine eher defensive Strategie. Angriffe wurden keine mehr gemeldet. Man flog nur noch Patrouille von Baum zu Baum. Nicht weit entfernt, am S-Bahnhof Potsdamer Platz stehen währenddessen zwei ältere Herren mit einem „Ist das der Untergang?“-Schild, die auffällig hoffnungsvoll in Richtung Himmel starren, als erwarteten sie dort die Antwort auf ihre Frage.

Der Vogelexperte der Brandenburger Vogelschutzwarte gab unterdessen Entwarnung. Das Verhalten der Krähen sei zwar ungewöhnlich „aber im Frühjahr, wenn die Junge haben, kommt das schon mal vor“.

Johannes Böhme

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