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Kriminalität: Polizei kommt Dieben nicht hinterher

Zahl der Eigentumsdelikte stieg im vergangenen Jahr drastisch: Täglich gab es 30 Wohnungseinbrüche Die Aufklärungsquote ging dagegen leicht zurück. Auch politische Gewalttaten nahmen zu.

Erstmals seit Jahren ist die Kriminalität in Berlin wieder gestiegen. Dies geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik 2011 hervor, die dem Tagesspiegel vorab vorliegt: Stark erhöht hat sich die Zahl der registrierten Eigentumsdelikte. Die Gesamtzahl der in Berlin angezeigten Taten betrug 494 385 Fälle, was ein Plus um 4,1 Prozent oder 19 346 Fälle zu 2010 ausmacht. Zu erklären ist dies vor allem mit mehr Diebstählen und Einbrüchen. Hier wurden 213 008 Fälle registriert, fast zwölf Prozent mehr als 2010. Insbesondere Wohnungseinbrüche sowie Fahrrad- und Taschendiebstahl stiegen. Außerdem wurden mehr politisch motivierte Taten festgestellt. Weniger geworden sind Drogenhandel, Vergewaltigungen, Körperverletzungen, Gruppengewalt von Jugendlichen.

Bereits zum Jahresende hatte die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers die Zunahme der Wohnungseinbrüche „als besorgniserregend“ bezeichnet. Die Zahl ist um rund 26 Prozent auf mehr als 11 000 Fälle gestiegen. Im Schnitt werden pro Tag in Berlin 30 Wohnungen aufgebrochen. Auch Einbrüche in Villen und Einfamilienhäusern haben zugenommen. Die Polizei registrierte 1912 Fälle, ein Plus von 32 Prozent. Am häufigsten wird in Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf eingebrochen. Bei Einfamilienhäusern und Villen liegen Zehlendorf, Rudow, Mahlsdorf und Lichterfelde vorn.

Beim Taschendiebstahl haben die Taten um fast 15 Prozent zugenommen und liegen bei 15 127 Fällen. Aufgrund ihrer Sorglosigkeit sind viele Touristen unter den Opfern. Besonders häufig griffen die Täter nach Smartphones, heißt es in der Polizeianalyse. Schlechte Nachrichten gibt es auch für Radfahrer: Nachdem in den zwei Vorjahren die bekannt gewordenen Raddiebstähle zurückgegangen waren, hat es 2011 rund 30 Prozent, also 25 988 Taten mehr gegeben. Die Polizei erklärt dies auch damit, dass mehr Berliner mit dem Rad unterwegs sind.

Weniger erfolgreich ist die Polizei bei der Aufklärung der Straftaten: Die Quote ist im Vergleich zu 2010 von 48,4 auf 46,1 Prozent gesunken. Dies hat mit dem Anstieg der Diebstahlstaten zu tun, von denen 24 Prozent aufgeklärt wurden.

Vor allem die Eigentumsdelikte beschäftigen die Fachleute. „Wir werden untersuchen, inwieweit dies auf organisierte Kriminelle zurückgeht“, sagte SPD-Innenexperte Frank Zimmermann. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, sagte zu der Statistik: „Ich warne davor, die Probleme allein der Polizei zu überlassen.“ Um etwa gegen Kindesmissbrauch und Verletzung der Fürsorgepflicht vorzugehen – in beiden Deliktfeldern wurden 2011 mehr Fälle als 2010 angezeigt –, helfe eine bessere Betreuung von Familien und gute Erziehungseinrichtungen. „Viele Taten wie Einbrüche werden von der Anonymität in unser Gesellschaft begünstigt“, sagte Klaus Eisenreich von der Gewerkschaft der Polizei. Tatbegünstigend könnte sich für die hohe Zahl von Wohnungseinbrüchen auch die personalintensive Fahndung nach Brandstiftern ausgewirkt haben. Viele Beamte fehlten deshalb an anderen Stellen. Erwartungsgemäß hat sich die Zahl der Brandstiftungen 2011 erhöht – um 28,5 Prozent auf 1090 Fälle. Aus politischen Gründen wurden 117 Fahrzeuge angezündet, wobei umstritten ist, wann eine Brandstiftung als politisch zu bewerten ist. In Hamburg wird dies nur getan, wenn Bekennerschreiben vorliegen oder politische Symbole am Tatort gefunden werden. Ohne politisches Motiv wurden 2011 der Statistik zufolge 420 Fahrzeuge in Berlin angesteckt. Hinzu kamen mehr als doppelt so viele Zündeleien in Treppenhäusern, Mülltonnen und Abstellräumen.

Nicht nur wegen Autobränden hat die politisch motivierte Kriminalität zugenommen. Die Polizei registrierte 2011 insgesamt 3267 Taten, das sind 826 mehr als im Vorjahr. Der Anstieg verteilt sich über alle Extremistenmilieus. Die Zahl linker Straftaten stieg auf 1345 (2010 waren es 822), die der rechten auf 1157 (1137) und die der Delikte ausländischer Fanatiker auf 255 (98). Zusätzlich beunruhigt Sicherheitsexperten die Zunahme von Gewaltdelikten, die in den Gesamtzahlen enthalten sind. Die Polizei zählte 397 linke Gewaltdelikte, das ist ein Zuwachs um 189 und damit fast eine Verdopplung. Außerdem wurden 61 rechte Gewalttaten registriert, 2010 waren es 27. Auch ausländische Gewalttäter fielen öfter auf (2011: 78 Taten, 2010: 25).

Experten weisen allerdings auf die begrenzte Aussagekraft der Statistik hin. So können bei Delikten, die wie Tötungsdelikte traditionell selten sind, schon eine Handvoll zusätzlicher Fälle zu einen massiven statistischen Anstieg führen. Hinzu kommt, dass es bei Eigentumsdelikten – anders als bei Körperverletzungen – einen besonderen Anreiz gibt, die Tat anzuzeigen. Versicherungen zahlen den Schaden nur, wenn eine Anzeige vorliegt.

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