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Berlin: Krise schon vor dem ersten Treffen

Sozialdemokraten sind verärgert über weitreichende Forderungen der Grünen und reden heute mit der PDS

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wenn sich SPD-Chef Michael Müller ärgert, wird er schmallippig. Gestern früh war sein Mund nur noch ein Strich. Müller ist stinksauer über das Gebaren der Grünen. „Erstens ist es unprofessionell und zweitens anmaßend, wenn die Grünen einen Tag nach der Wahl ihr Interesse an insgesamt fünf Senatsverwaltungen bekunden.“

Der SPD-Mann bezog sich auf Äußerungen mehrerer Grünen-Politiker. Der mögliche Koalitionspartner sei aber nur viertstärkste Kraft im neuen Abgeordnetenhaus – nach SPD, CDU und Linkspartei/PDS. „Sollten wir uns auf eine Koalition verständigen, wird dieses Kräfteverhältnis auch bei der Senatsbildung zum Ausdruck kommen.“ Die PDS stellte, als sie 2001 bei der Wahl 21 Prozent erreicht hatte, nur drei Senatsmitglieder. Müller hofft, dass es „nicht jeden Tag so weitergeht mit den Grünen“. Ähnlich hatte sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit schon am Montag im SPD-Landesvorstand geäußert. Das Interesse von Grünen an den Ressorts für Stadtentwicklung, Arbeit/Wirtschaft, Bildung, Kultur und Justiz hat ihn ziemlich irritiert. Die SPD-Führung stufte entsprechende Äußerungen der Grünen als „unabgestimmtes Durcheinander“ ein. Deren Spitzenkandidatin Franziska Eichstädt-Bohlig sagte hingegen, den Ärger der SPD verstehe sie nicht. Sie erneuerte das Interesse der Grünen an „drei, nicht fünf Zukunftsressorts“ im Senat. SPD-Chef Müller solle nicht so groß tönen, sagte Eichstädt-Bohlig.

Die Sozialdemokraten wollen die Kritik an den Grünen aber nicht als Vorentscheidung für Koalitionsgespräche verstanden wissen. Für viele Genossen, auch im links dominierten SPD-Landesvorstand, ist Rot-Grün durchaus Herzenssache – nicht nur vom politischen Gefühl her, sondern auch wegen guter Erfahrungen in der kommunalpolitischen Zusammenarbeit. Zum Beispiel in Charlottenburg-Wilmersdorf, wo der stellvertretende SPD-Landeschef Marc Schulte seit Jahren aktiv ist. „Wir haben schon in der alten Wahlperiode gut kooperiert, und das soll auch so bleiben.“

Schulte gießt aber ein bisschen Wasser in den Wein. „Die Grünen sind leider nicht immer zuverlässig.“ Manchmal sei es schwierig mit ihnen. Trotzdem gibt es auch in der neuen, 53-köpfigen Abgeordnetenhausfraktion mit einem erstarkten linken Flügel viele Sozialdemokraten, die Rot-Grün bevorzugen. Auch der SPD-Kreischef in Steglitz-Zehlendorf, Michael Arndt, verbirgt das nicht. Für ihn sind die Grünen, etwa in der Hochschulpolitik, für seinen Bezirk sehr wichtig und der bessere Partner. Andere halten sich noch bedeckt. „Wir sind offen, ohne Präferenz für Rot oder Grün“, sagt hingegen der Bundestagsabgeordnete und Spandauer SPD-Kreischef Swen Schulz und wird dann staatstragend: „Wir machen die Koalition, die Berlin guttut.“

Schulz weist übrigens jeden Verdacht zurück, dass die SPD-Bundespartei eine Fortsetzung des Bündnisses mit der PDS verhindern wolle. In der Bundestagsfraktion werde natürlich gefragt, was jetzt passiere, und „einzelne bundespolitische Akteure“ hätten gewisse Vorlieben. „Aber es wird kein Druck ausgeübt.“ Das würde auf Wowereit, so wie man ihn kennt, auch keinen großen Eindruck machen. Für den heutigen Mittwoch, 16 bis 18 Uhr, hat er die Linkspartei ins Rote Rathaus eingeladen. Für ein Sondierungsgespräch, vorerst nicht mehr. Zwei Stunden sind nicht viel, aber die Sechserrunde – Wowereit, Müller, Ingeborg Junge-Reyer (SPD) und Klaus Lederer, Stefan Liebich, Harald Wolf (PDS) – kennt sich ja gut.

Am Donnerstag sind die Grünen an der Reihe mit Sondierungsgesprächen. Nächste Woche entscheiden die Sozialdemokraten, mit wem sie Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Dabei ist die gemeinsame politische Schnittmenge das wichtigste Kriterium. Auch das gegenseitige Wohlgefallen spielt erfahrungsgemäß eine Rolle, wenn Koalitionen geschmiedet werden. Fünf Jahre in einem Boot, das fördert den Gruppenkoller. Außerdem ist die künftige Regierungsmehrheit äußerst knapp, es kommt bei Parlamentsentscheidungen auf jede Stimme an. Deshalb mustert die SPD aufmerksam die neuen Fraktionen der PDS und der Grünen. Schließlich habe, so formulierte es mal ein lebenserfahrenes Senatsmitglied, „jede Partei ihre Verrückten“.

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