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Berlin: Krumme Geschäfte am Straßenrand

Jetzt warnt die Polizei wieder vor betrügerischen Schmuckverkäufern Deren rührseligen Geschichten sollte man keinen Glauben schenken

Potsdam – Ausflügler müssen auf ihren Autotouren ins Brandenburgische jetzt wieder mit einer alljährlich wiederkehrenden Form der Wegelagerei rechnen. Die Polizei spricht von betrügerischen Schmuckverkäufern. Mehr als 100 Fälle registrierten die Ermittlungsbehörden in diesem Jahr bereits, Tendenz steigend. Kaum klettern die Temperaturen und es wird warm, warnt der Verkehrsfunk wieder häufiger. Dann heißt es: „Vorsicht, Personen auf der Fahrbahn“.

Die Masche ist immer dieselbe, die Orte auch: Am Berliner Ring, direkt am Kreuz Oranienburg oder nahe der Raststätte Seeberg-West im Nordosten, aber auch an der A2 Richtung Hannover, auf den Strecken zur Ostsee und nach Frankfurt (Oder), an einigen Bundesstraßen wie der B96 rund um Rangsdorf und bei Ludwigsfelde an der B101. Die meisten Fälle zählte die Polizei in diesem Jahr im Bereich Oberhavel nördlich von Berlin und im Westen des Landes, im Polizeibereich Brandenburg an der Havel.

Dort stehen sie, oft sind es zwei bis drei Männer, nach Ermittlerangaben Rumänen, mit ihren alten Wagen. Sie parken auf dem Pannenstreifen, an Auffahrten oder an Parkplätzen und fuchteln mit Benzinkanister oder Abschleppseil herum, als hätten sie keinen Sprit mehr im Tank oder eine schwere Panne. Oft sind es Stellen, an denen die Autos langsam fahren müssen. Immer häufiger kommt es zu brenzligen Situationen, heißt es bei der Polizei. Die Schmuckverkäufer werden immer aggressiver, springen auf die Fahrbahn, wollen die Autos zum Halten zwingen. Wer sich darauf einlässt und anhält, dem erzählen die Männer rührselige und haarsträubende Geschichten. Und die haben sich nach Erkenntnissen der Ermittler nicht geändert. Am häufigsten erzählen die Männer von ihrer Mutter, die im Krankenhaus liege, wo sie sie besuchen wollen. Weil sie aber kein Benzin und kein Geld mehr haben, bieten sie ihren angeblich wertvollen Familienschmuck im Wert von 2000 Euro für 50 bis 150 Euro zum Verkauf an. Die Polizei nennt es Autobahngold. Im Ruhrgebiet, wo Wegelagerer schon länger ihr Unwesen treiben, sprechen die Ermittler ganz unverblümt von Rumänenblech. „Das ist billiger Mode- oder Messingschmuck“, sagt die Sprecherin des Potsdamer Polizeipräsidiums, Anja Resmer. Sie rät allen Autofahrern dringend: „Nicht anhalten, sondern die Polizei alarmieren. Auf Landstraßen sollte man nur halten, wenn man von einer eindeutigen Notsituation ausgehen kann, zum Beispiel bei einer hilflosen Person oder einem Verkehrsunfall.“

Insgesamt seien die Autofahrer aufmerksamer geworden, sagt Resmer. Die Polizeistatistik verzeichnet über die Jahre einen deutlichen Anstieg der Fallzahlen, 2009 waren es 853, im vergangenen Jahr 987 gemeldete Fälle. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein. „Nicht jeder Schmuckverkäufer, über den per Verkehrsfunk gewarnt wird, wird auch uns gemeldet.“

Einfach sind die Wegelagerer für die Ermittler nicht zu schnappen. In den seltenen Fällen, in den es überhaupt zu Festnahmen kommt, bleibt es bei einer Anzeige wegen Ordnungswidrigkeiten, denn der Betrug ist schwer nachzuweisen. „15 bis 20 Minuten braucht die Polizei durchschnittlich bis zum Eintreffen vor Ort“, erklärt die Sprecherin. „In den meisten Fällen haben die Verkäufer dann bereits den Standort gewechselt und sind weg.“ Denn sie sind gut organisiert, ganze Familien sind mit mehreren Wagen im Spiel. Die einen sind für das Geschäft zuständig, die anderen stehen ein paar Kilometer vorher Schmiere. Wenn die Polizei kommt, schlagen sie Alarm. „Sie sind sehr schnell und flexibel“, sagt die Polizeisprecherin.

 Alexander Fröhlich

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