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Krumme Lanke: Streit um die Stele

Es gibt Ärger in der Zehlendorfer Waldsiedlung über den Umgang mit der NS-Vergangenheit. Einige Anwohner haben Angst, dass Neonazis den Selmaplatz als "Aufmarschgebiet" nutzen könnten.

Die Waldsiedlung „Krumme Lanke“ zwischen Quermatenweg und Argentinischer Allee in Zehlendorf ist eine traumhafte Wohnadresse: Die Häuser sind gemütlich, jedes hat einen Garten, gleich um die Ecke liegen Schlachtensee und Krumme Lanke. Doch seit einigen Wochen setzen sich die Bewohner verstärkt mit der wenig pittoresken Vergangenheit der Siedlung auseinander. Denn das Kulturamt Steglitz-Zehlendorf plant, mit einer Stele am Selmaplatz darüber zu informieren, dass hier im Nationalsozialismus eine „SS-Kameradschaftssiedlung“ errichtet wurde, in der zu neunzig Prozent Mitglieder von Hitlers berüchtigter Elitetruppe wohnten. Manchen Bewohnern der Siedlung ist das zu einseitig. „Siebzig Jahre steht diese Siedlung, sieben Jahre davon hat sie SS-Zwecken gedient. Das ist ein Zehntel“, sagt ein Anwohner, der seit 63 Jahren hier wohnt. Sein Nachbar lebt seit 42 Jahren hier – er befürchtet sogar, dass Neonazis den Selmaplatz als „Aufmarschgebiet“ nutzen könnten.

Aber nicht alle Bewohner teilen diese Ängste. Martin Goldmann vom Verein Waldsiedlung Krumme Lanke findet es richtig, sich damit auseinanderzusetzen, dass er in einem Haus wohnt, das für die SS gebaut wurde: „Ich kann hier nur sorgenfrei leben, wenn ich mich damit beschäftige. Wenn alles auf den Tisch kommt und transparent gemacht wird“, sagt er. Was ihn und viele andere Bewohner dennoch stört, ist der vorgesehene Textentwurf der Stele. Darin ist von der „beschaulich-friedvollen Atmosphäre" die Rede, welche die Geschichte der Siedlung „überdeckt“. Für Goldmann ist das eine Unterstellung: „Was können wir dafür, dass es hier schön ist?“, fragt er. Außerdem könne man an der Beschaffenheit der Siedlung ohnehin nichts ändern, weil diese unter Denkmalschutz steht.

Sabine Weißler, die Leiterin des Kulturamtes, organisiert die Aufstellung der Informationsstelen. „Historische Themen sind eben kontrovers, eine einheitliche Meinung kann es da gar nicht geben“, sagt sie. Einige Einwände der Bewohner aber will sie berücksichtigen. Allerdings hat das Kulturamt Steglitz-Zehlendorf aus Gründen der wissenschaftlichen Neutralität renommierte Autoren mit den Texten der Stelen beauftragt. Etwaige Änderungen will sie mit dem Architekturhistoriker Wolfgang Schäche absprechen.

Bisher informieren in Steglitz-Zehlendorf drei der türgroßen Stelen, die von der Künstlerin Karin Rosenberg entworfen wurden, über die Geschichte des Bezirks. An der Lepsiusstraße geht es um den „Antisemitismusstreit“, auf dem Hermann-Ehlers-Platz wird an einen von den Nationalsozialisten erhängten deutschen Soldaten erinnert. An der Ecke Wilskistraße wird über den „Zehlendorfer Dächerkrieg“ informiert, einen architektonischen Streit zwischen Vertretern des Spitz- und des Flachdaches.

Welcher Text letztendlich auf der Informationsstele auf dem Selmaplatz stehen soll, entscheidet der Bezirk auf einer Sitzung des Ausschusses für Bildung und Kultur am 19. November im Rathaus Zehlendorf. 

Daniel Stender

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