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Berlin: Ku’damm-Flaneure lassen Nebenstraßen links liegen

Die City-West boomt – aber nur auf der Hauptmagistrale. Abseits des Kurfürstendamms schließen immer mehr Geschäfte

Von Claudia Keller

Auf dem Kurfürstendamm drängen sich Touristen und die Kaufwütigen, in den Nebenstraßen schließen die Geschäfte. In der West-Berliner guten Stube gibt es eine ausgemachte Krise, die ein Ku’damm-Flaneur kaum nachvollziehen kann. Biegt er ab in Knesebeck-, Uhland oder Fasanenstraße, steht er schnell vor geschlossenen Türen, erblickt Maklerschilder, die zum Ladenmieten einladen und kann billig einkaufen, weil „alles raus“ muss.

Im Garten des Literaturhauses in der Fasanenstraße stehen die Sonnenanbeter Schlange. Für Monika Walters ist das Café mit dem idyllischen Garten, den Kieswegen und den hohen Bäumen die erste Adresse zum Kaffeetrinken in der Stadt – und der ideale Ausgangspunkt für einen feinen Einkaufsbummel. „Hier ist nicht so ein Rummel wie auf dem Ku’damm, sagt die schlanke Blondine und zupft am Hermès-Tuch. „So schön intim hier.“ Sorgen bereitet ihr allerdings der Geschäfteschwund, der womöglich die Exklusivität der Einkaufsstraße gefährdet.

Verlässt man das Reservat der Schönen und Reichen um das Literaturhaus und geht in Richtung Lietzenburger Straße, versteht man, was sie meint: Hier steht jedes zweite Geschäft leer. Wo noch im August sündhaft teure Vasen von Lalique glänzten, noch vor einem Jahr Handtaschen von Louis Vuitton und Accessoires von Prinzessin Bea Auersperg Eleganz verströmten, hängen jetzt die Schilder mit der Aufschrift „zu vermieten“. Auch Cartier sitzt auf gepackten Koffern: Nächstes Jahr zieht der Luxusjuwelier an den Kurfürstendamm, Ecke Schlüterstraße.

„Die Fasanenstraße stirbt langsam ab“, heißt es bei Rena Lange, die vor einem Jahr an den Kurfürstendamm gezogen ist, „Die Fasanenstraße hat an Niveau verloren“, sagt Gitta Gräfin Lambsdorff, Gebietsleiterin bei Cartier. „Der Ku’damm zwischen der Fasanenstraße und dem Adenauerplatz hat sich in den letzten eineinhalb Jahren prächtig entwickelt“, sagt sie. Da will Cartier in der ersten Reihe sitzen. Neben Hermès, Piaget, Vuitton, Prada und den anderen.

In den Nebenstraßen haben aber nicht nur die edelsten Läden ihre Probleme und ziehen an die Magistrale. Etliche kleine Geschäfte, die hier seit Jahrzehnten sitzen, kämpfen ums Überleben. Friedrich Baasner betreibt mit seiner Frau ein „Keramikatellier“ in der Knesebeckstraße, gerade hat er für die Steuer den Umsatz des letzten Quartals zusammengerechnet, „unser schlechtestes Ergebnis seit 36 Jahren“. Vor drei Monaten fragte ihn ein Bewag-Angestellter, ob er wisse, was mit dem Nachbarladen sei, er wolle da den Strom ablesen. Der Nachbar war weg. Einfach verschwunden. Hat seinen Möbelladen „La Ventura“ hinterlassen wie er war – mit den Mietschulden und den Stromschulden. Pleite, wie so viele hier. Friedrich Basner hat so seine Theorien: Die Wirtschaftsflaute, die Leute kaufen nur noch das Notwendigste, solche Sachen. Aber er wundert sich schon, dass sich die Leute auf dem 150 Meter entfernten Ku’damm gegenseitig auf die Füße treten.

Rahaus in der Uhlandstraße: Seit zwei Tagen hängen die Ausverkaufs-Schilder in den Fenstern: „Wir ziehen aus“. Eine Verkäuferin erzählt, dass die Gegend tot sei, auch das Stilwerk in der Kantstraße funktioniere ja nicht, schräg gegenüber die Babyboutique habe gerade geschlossen. In der Rahaus-Filiale am Wittenbergplatz, da verkaufen die Kollegen wie verrückt.

Zurück in der Fasanenstraße, dort, wo es immer noch ein paar teurere Läden gibt. „Nach der Wende war es hier schwarz vor Leuten“, erinnert sich Andrea Stelljes, Filialleiterin eines Edel-Bestecke-Ladens. Viele Russen hätten hier eingekauft. Jetzt bleiben sie zu Hause – auch Moskau hat mittlerweile seine Chanel-Boutique. Nun seien die Chinesen im Anmarsch, aber bisher finden sie nur ins KaDeWe. „Ja, wir haben hier schon eine Art Krise“, gibt Stelljes zu – nach langem Zögern. Sie hält nichts von schlechter Stimmung, damit rede man die Krise nur herbei.

Stelljes engagiert sich in der Interessengemeinschaft Fasanenstraße, die 23 von 45 Geschäften vertritt, und sucht lieber nach neuen Wegen als zu lamentieren. Es gehe ja schon wieder aufwärts. Ein Immobilienmakler bestätigt, dass im November ein exklusives französisches Einrichtungshaus mit Bistro in die Räume von Vuitton zieht. Dort, wo Linckersdorff früher war, weiter oben zur Lietzenburger hin, zieht ein italienischer Herrenausstatter ein. Außerdem würden die Vermieter mit sich reden lassen, was die Preise angeht. Auch kurzfristige Mietverträge sind jetzt drin…

Etwas fehle allerdings, da sind sich alle einig: die IG, die Makler, die Anwohner: eine In-Gastronomie, so eine Paris-Bar. So wie das legendäre griechische Restaurant „Fuffis“, das es in der Fasanenstraße einmal gegeben hat. Da sind die jungen Frauen mit den angeheiterten Herren abends an den Schaufenstern vorbei und – schwupps – am nächsten Tag haben die Colliers für 50000 Mark gekauft, erzählt Stelljes. Um der Edelmeile zu neuem Auftrieb zu verhelfen, hat Stelljes schon mit Feinkost Käfer Kontakt aufgenommen und beim Bezirksamt noch einen ganz anderen Vorschlag eingebracht: die Fasanenstraße soll Fußgängerzone werden.

„Das ist nicht unmöglich“, sagt Klaus-Dieter Gröhler, der Baustadtrat von Charlottenburg. Allerdings weiß er jetzt schon: Bis 2007 hat der Bezirk garantiert kein Geld für eine solche Umgestaltung.

Der Immobilienmakler Gottfried Kuppsch weiß, wie schwer es ist, Immobilien jenseits des Ku’damms loszuwerden. Er hat auch eine Erklärung fürs Dilemma: „Die Leute wollen einfach nicht runter vom Ku’damm, sie haben Angst, was zu verpassen.“

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