zum Hauptinhalt
Der Ku'damm soll schöner werden - aber wie? Die Meinungen gehen da weit auseinander.

© dpa

Ku'damm-Serie: Dem Laufsteg fehlt nur etwas Politur

Visionen für den Ku’damm? Da tun sich Planer schwer. Sie finden: Auf keinen Fall an ihm herumkünsteln.

Prachtboulevard, Bummelmeile, Sehnsuchtsort, Großstadtverheißung, Schnöselkiez, Protzpiste, Laufsteg für Upperclassdiven. Was ist der Ku’damm? Alles davon. Mindestens. Und in zehn Jahren? Dieselbe Mischung, nur von allem noch ein Quäntchen mehr.

Ku’dammvisionen? Schwierig. Da müssen die Experten erstmal drüber schlafen. Ist doch alles toll, wenn man nicht zu weit raus fährt Richtung Halensee. Die Geschäfte laufen gut, der Leerstand wird wegsaniert. Der Boulevard des Westens muss nicht mehr als sein eigenes Museum belächelt werden. Aber fehlt nicht noch etwas, um Champs-Elysées zu werden, Fifth Avenue oder Oxford-Street?

Für Klaus-Dieter Gröhler, Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, sind Visionen eine riskante Übung. Jetzt wagt er sich mal vor: „In der Mitte eine Straßenbahn.“ Ach was, nur ein Witz! Niemals würden die Kudamm-Kommerziellen zulassen, die Autos vom Mittelstreifen wegzuschaffen. Der Ku’damm ist Autostraße durch und durch. Vielleicht könnten sich dort künftig Solarmobile sonnen? Berlin als neue Elektropolis und der Ku’damm die Avus für sauberes Dahingleiten. Er hat ja schon die längste Weihnachtsbeleuchtung der Welt, bekräftigt Gröhler. Wie wär’s mit Lichterkettenzauber vor Revueclubs und Tanzlokalen wie in den Roaring Twenties? Nee, meint der Stadtrat, ein ausschweifendes Nachtleben würde nur die betuchten Boulevardbewohner vergraulen, und das könne niemand ernsthaft wollen.

Carsten Colmorgen, Direktor des Concorde-Hotels an der Augsburger Straße, war vor kurzem auf dem „World Brand Festival“ in Peking und stellte fest: Der Ku’damm ist wegweisend. „Viele haben interessiert auf uns geschaut.“ Der Mix aus Luxus- und Trendmarken, Geschäften für die weniger Begüterten, Hotels und Theatern sei vorbildhaft. Es müsse nur noch fertig gebaut und feinjustiert werden. Eine „urbane Straße“ mit einer „gewissen Gediegenheit“ sollte das Leitbild sein, ohne ständig auf die zwanziger Jahre zu schielen, sagt Schaubühnen-Direktor Friedrich Barner. Theaterkollege Martin Wölffer sieht in der Zukunft mehr Cafés, Ausstellungen und Kinos auf dem Boulevard. Die Geschäftsleute sollten nicht mehr versuchen, Flaneure und Touristen „in ihre Gebäude reinzusaugen“. Der Auftritt zur Straße hin müsse wieder geübt werden.

Das findet auch die Architektin Petra Kahlfeldt, die selbst ein denkmalgeschütztes Ku’damm-Palais saniert hat. Alle Anwohner sollten eine Verpflichtung eingehen, die „gute Adresse“ ihres Boulevards zu pflegen. Kahlfeldt wünscht sich einen „Verhaltenskodex“, eine Art ungeschriebener Kleiderordnung, die Anrainer vor „verhaltensgestörten Häusern“ wie dem Jahn-Glaspalast am Kranzler-Eck schützt. Dieses gläserne Bürohaus kehre sein Innerstes nach außen – was sich am Ku’damm nicht schickt – und wirke „vollkommen maßstabsprengend“.

Mit dem Nachdenken über die City West ist derzeit das „Regionalmanagement“ im Amerika-Haus beschäftigt. Ihr Chef, Stadtplaner Joachim Wolf, begeistert sich für die „Linearität“ des Boulevards, einen 3,5 Kilometer langen roten Faden in einem Gewebe von Seitenstraßen. Dass 2500 Menschen am Kudamm wohnen, immer noch, findet er schützenswert. Ebenso wie die Ku’damm-Vitrinen, die mal aufgestellt wurden, als es noch klassische Vorgärten gab. Die „Vitrinenlinie“ könnte für Kunst-Ausstellungen genutzt werden, meint auch der Architekt Tobias Nöfer. Noch wichtiger erscheint ihm allerdings, Verkehrsknoten wie den Adenauerplatz zu entschärfen, damit der Flaneur nicht auf halbem Weg nach Halensee umdreht.

„Der Kurfürstendamm steht für Zuverlässigkeit und Kontinuität“, sagt Thomas Willemeit vom Architekturbüro Graft. Dieses Statement ließe sich auch so deuten: Der Ku’damm ist langweilig. Doch der Graft-Architekt sieht die Straße als eine „ehrliche Meile“, an der man nicht soviel herumkünsteln sollte. „Der Ku’damm ist sowieso im Kommen.“ Willemeit würde den Boulevard gerne etwas verlängern, eine Brücke zur Budapester Straße schlagen und von dort Tiergarten und Potsdamer Platz anpeilen. „Jetzt wird der Ku’damm mit dem Tauentzien als eine Einheit wahrgenommen.“ Doch die Fluchtlinie verlaufe eigentlich über die Budapester, die bisher keine besondere Wirkung entfalten konnte. Mit dieser Idee knüpft Willemeit an die Historie an. Bis 1925 begann der Kurfürstendamm auf der heutigen Budapester Straße. Deshalb fehlen die Hausnummern 1 bis 10.

Das Büro Graft hatte schon mal vorgeschlagen, das Bikini-Haus abzureißen, um den Breitscheidplatz zum Zoo hin zu öffnen. Auch das könnte der übermäßig betonierten Platztopographie etwas von ihrer kantigen Schwere nehmen. „Irrsinnige Potenziale“ hätte die City-West, sagt Willemeit, wenn man die baulichen Barrieren zum Tiergarten durchbrechen würde. Der Ku’damm, die Perle der City, könnte bis in die alte Mitte der Stadt leuchten.

„Ich wüsste gar nicht, was sich am Kurfürstendamm verändern sollte“, sagt der deutsch-russische Architekt Sergei Tchoban, der zuletzt das Ernst-Reuter-Haus an der Straße des 17. Juni saniert hat. Nicht alle Häuser hätten die gleiche architektonische Qualität, aber die Straße insgesamt funktioniere sehr gut. Auch im Vergleich zur russischen Prachtmeile Twerskaja, die ihre überlieferte Bausubstanz durch die Verbreiterung in den 1930er Jahren weitgehend einbüßte. Am Ku’damm gelangen die Menschen, bei aller Weite und Großzügigkeit, noch gut von einer Seite zur anderen.

Tchobans Kollege Urs Kohlbrenner schwärmt von der „Grundqualität“ des Ku’damms, seiner optimal besonnten Südwestausrichtung. Da habe die schattige Friedrichstraße einfach das Nachsehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false