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Berlin: Kühe in die Stadt

Wie lassen sich „schrumpfende Städte“ beleben? Ein Wettbewerb hat seltsame Ideen hervorgebracht

Viel Phantasie ist nötig, um sich das für Berlin vorzustellen: Eine Kuhherde wandert zwei Wochen lang durch die Stadt, um verödete Flächen zu beleben. Oder größere Brachflächen werden als „exterritoriale Zonen“ von der Volksrepublik China oder Indien verwaltet. Oder Stadtteile, die ihre Bedeutung als Industriegebiet verloren haben, bekommen eine neue Aufgabe: als Siedlung voller Vogelhäuschen und als „Park der Vögel“.

Ein Vogelpark schien noch am realistischsten, ansonsten wirkte das Publikum am Dienstagabend im Deutschen ArchitekturZentrum an der Köpenicker Straße in Mitte eher irritiert und ratlos. Vorgestellt wurden die Siegerentwürfe eines Ideenwettbewerbs im Rahmen des Projekts „Schrumpfende Städte/Shrinking Cities“, hinter dem die Kulturstiftung des Bundes steckt. Es tröstete etwas, dass die Vorschläge anderen Städten galten: Die Kühe waren für Liverpool bestimmt, die Vogelhäuschen für Manchester, und die Volksrepublik China sollte sich Halles und Leipzigs annehmen.

Der Wiener Kunsttheoretiker Georg Schöllhammer, Jurymitglied des Wettbewerbs, erkannte in den Arbeiten „Unsicherheiten“, wie mit dem Phänomen schrumpfener Städte umzugehen ist. Der Designer Ruedi Baur forderte, dass der Städtebau auf Wachstum und auf ungeplante, ungewollte Schrumpfung zugleich reagieren müsse. „Die Schrumpfung gehört zur Stadtentwicklung.“ Dabei soll es, wie die bis November in den Kunst-Werken „KW“ an der Auguststraße gezeigte Ausstellung demonstrieren will, nicht nur um den Abriss überzähliger Wohnungen gehen. Das russische Ivanowo, in dem eine ausgediente Textilfabrik zur Shopping Mall umgerüstet wurde, ist mit Detroit, Manchester, Liverpool und dem Großraum Halle/Leipzig zum Forschungsobjekt geworden.

Der Umgang mit leeren Räumen, mit freien Flächen, wird nach Ansicht der Stadtplaner eine große Aufgabe der Zukunft. Wer den Berliner Bezug vermisst haben mag, konnte sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Architektur-Zentrums ein praktisches Bild machen: Auch hier in Nähe des Spreeufers ist die Stadt „geschrumpft“, ein neunstöckiger Plattenbau steht leer, vor einer stillgelegten Fabrik ist eine wilde Grünfläche entstanden, wird für Kinder Ponyreiten angeboten. Und viel Platz ringsum ist auch noch frei. Vielleicht für die Kuhherde?C.v.L.

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