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Berlin: Kühl entschieden

Der Wärmebus für die Flüchtlinge musste weg vom Pariser Platz – und steht nun unbeheizt da.

Eine zarte weiße Schneeschicht bedeckt an diesem Samstagvormittag den Pariser Platz, hüllt auch das Flüchtlingscamp am Brandenburger Tor ein, seine Kissen, seine Transparente. „Kein Mensch ist illegal“ steht auf einer Plakette, das Wort „Mensch“ ist von Schneeflocken umrahmt. Seit knapp sechs Wochen demonstrieren hier Flüchtlinge aus ganz Deutschland und fordern eine Verbesserung des Asylrechts.

Am Freitagabend hatte das Ordnungsamt Mitte mit Unterstützung der Polizei einen Bus umsetzen lassen, in dem sich die Demonstranten zum Aufwärmen aufhalten konnten. Der Bus wurde in die Straße des 17. Juni gefahren, vom Pariser Platz rund 300 Meter entfernt. Anwesende kritisierten das Vorgehen der Polizei bei der Auflösung einer Sitzblockade. „Die Menschen wurden am Kinn weggeschleift anstatt beiseitegetragen“, sagt der Abgeordnete Oliver Höfinghoff (Piraten). Polizeisprecher Stefan Redlich weist die Kritik auf Anfrage des Tagesspiegels zurück. Es seien keine Strafanzeigen gegen Polizisten eingegangen.

Die eigentliche Umsetzung des Busses erfolgte durch ein vom Ordnungsamt beauftragtes Abschleppunternehmen. Am neuen Standort ordnete die Polizei dann an, ein mögliches Zurückfahren des Busses zu verhindern, nachdem die Demonstranten laut Redlich genau damit gedroht hatten. Am Bus wurden Kabel durchtrennt, die sonst ein Starten des Motors ermöglichen. Dies habe allerdings auch das Beheizen des Busses unmöglich gemacht, kritisiert Höfinghoff. Redlich hält dagegen, dass „mildere Mittel“ leider nicht ausgereicht hätten, um den Bus am neuen Standort zu sichern.

13 Flüchtlinge harren derzeit noch am Pariser Platz aus, sagt Amir Hossain. Der 21-jährige Iraner ist seit Beginn der Protestaktion dabei. „Aber es ist, als könnten wir nicht reden“, sagt er auf Persisch. Er meine damit, egal was die Flüchtlinge sagten, es werde von der Öffentlichkeit nicht gehört.

Die Nächte verbringen sie schon seit einigen Tagen in dem Bus, den ein Berliner Busunternehmen zur Verfügung gestellt hat. Es ist ein Fahrzeug, wie es von Bands für Konzerttouren benutzt wird. Jeder Flüchtling hat sich eine Schlafnische eingerichtet. Im Bus ist es düster, nur kleine Kerzen leuchten. Die Unterstützer der Flüchtlinge haben Generatoren herbeigeschafft, um eine Heizung zu betreiben. Alles, was sie erreichen wollten, sagt Amir, sei, „so gleich zu sein wie alle anderen Menschen auch“.

Dass ein Wärmebus am Flüchtlingscamp stehen darf, war zuvor vom Ordnungsamt Mitte genehmigt worden. Warum der Bus in einer Eilaktion versetzt wurde, wurde noch nicht bekannt. Der zuständige Stadtrat war zunächst nicht zu erreichen. Heute soll die Weihnachtstanne vor dem Brandenburger Tor feierlich illuminiert werden. Vielleicht musste der Bus mit den Flüchtlingen daher weichen, sagt Unterstützer Höfinghoff. Die Verantwortlichen hätten dann in der Zeit der Nächstenliebe kühl entschieden. Auch für heute wurde leichter Schneefall vorhergesagt. Marc Röhlig

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