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Berlin: Kündigungswelle: Stellenabbau beim Roten Kreuz - Auch die Flüchtlingshilfe ist betroffen

Das Damoklesschwert der Stellenstreichungen hängt nicht länger über dem Berliner Landesverband des Roten Kreuzes. Es hat zugeschlagen.

Das Damoklesschwert der Stellenstreichungen hängt nicht länger über dem Berliner Landesverband des Roten Kreuzes. Es hat zugeschlagen. War seit einigen Wochen die Rede vom Wegfall von rund 295 Stellen, davon 90 in der Verwaltung, steht jetzt fest, in welchen Bereichen noch gestrichen wird. Der neue Landesgeschäftsführer, Jost Brockmann, nannte gestern in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel Beispiele: Im Flüchtlingsdienst sollen von 130 Mitarbeitern 79 gehen. Im Bildungs-Center Berlin, wo DRK-Mitarbeiter weitergebildet werden, bleiben von 12 Stellen nur zwei. In diesen Tagen wird hunderten von Mitarbeitern schriftlich mitgeteilt, dass ihre Stelle bedroht sei. Wer dann tatsächlich gehen muss, entscheide die "Sozialauswahl", sagt Brockmann.

Der neue Landesgeschäftsführer wurde vor einem Monat Nachfolger des wegen "Missmanagements" entlassenen Udo Pecher. Die Verluste, die das Rote Kreuz seit 1997 erwirtschaftete, belaufen sich auf 161 Millionen Mark, dazu kommen 37 Millionen Mark Betriebsmittelkredite bei den Hausbanken. Nur mit Krediten war Ende Mai die Auszahlung von Gehältern vorerst gesichert worden. Jost Brockmann scheint ein nüchterner Sanierer zu sein, aber einer mit feinem Humor. Als Rot-Kreuz-Präsident Klaus Schütz ihn Mitte Mai gefragt habe, ob er "den Job" von seinem glücklosen Vorgänger Udo Pecher übernehmen wolle, habe er einfach Ja gesagt. Dann ließ Brockmann "die Zahlen aufbereiten", und da "hat sich meine Sichtweise geändert". Würde er heute Nein sagen, wenn er noch einmal wählen könnte? Der 43-jährige Brockmann lächelt, blickt kurz auf seine rote Krawatte mit dem bunten Vogelmuster und spricht von "Zuversicht". Er habe ein gutes Team und gute Chancen, die Sanierung zu schaffen. Außerdem sehe er jetzt die Bereitsschaft, die "guten Ideen" der Unternehmensberatung Ernst & Young konsequent umzusetzen.

Das Sanierungskonzept, das die Berater dem angeschlagenen Verband verordnet haben, trifft vor allem die Mitarbeiter. Tatsächlich entstünden 80 Prozent der Kosten im Personalbereich, sagt Brockmann. Die Konsequenz: Angestellte, die noch nicht unkündbar sind, müssen gehen, anderen werden Abfindungen oder Weiterbildungen in einer Qualifizierungsgesellschaft angeboten. Für den Sozialplan sollen 10 Millionen Mark zur Verfügung stehen, weniger als bei früheren Entlassungswellen beim Berliner Roten Kreuz. Als ein Beispiel für den Stellenabbau in der Verwaltung der Landesgeschäftsstelle nennt Brockmann die Öffentlichkeitsarbeit: Von neun Mitarbeitern bleiben nur zwei. Außerdem müssten Sekretärinnen, Juristen, Qualitätskontrolleure, Revisionsbuchhalter, Hausmeister, Mitarbeiter im Rechnungswesen und der EDV-Organisation gehen, insgesamt 90 von 150. Bei Kindertagesstätten, Behinderteneinrichtungen und Altenheimen will das Rote Kreuz an der Spitze sparen: Mehrere Einrichtungen sollen eine gemeinsame Leitung bekommen, die dann auch gleich die Fachaufsicht übernimmt. Auch Brockmann selbst hat so einen Doppelposten: Der Geschäftsführer bleibt Hauptabteilungsleiter der Rotkreuzdienste, eine Stelle, die er bereits seit Mitte 1997 ausfüllte.

Zu Immobilienverkäufen, die das angegriffene Eigenkapital des Verbandes aufstocken sollen, will sich Brockmann nicht äußern. In der Schuldenkrise von 1991 wurden Häuser und Grundstücke weit unter Wert verkauft und dann von privat mit großen Gewinnen weiterverkauft. Dies solle jetzt verhindert werden. Keinesfalls werde daran gedacht, Kinderheime zu schließen, um die Immobilie zu verkaufen. So sei das Haus Margaret in Lichterfelde West, ein Heim für minderjährige Asylbewerber, nur deswegen von Schließung bedroht, weil es unterbelegt sei.

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