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Regisseur und Produzent Marbo Becker vor der Friedrichstraße 112a. Er ist einer von vielen Filmschaffenden, die das ehemalige Scala Kino retten wollen.

© Kai-Uwe Heinrich

Kultur auf der Friedrichstraße: Kinofreunde um Wim Wenders wollen das "Scala"-Kino in Berlin retten

Das „Scala“ ist das drittälteste Kino der Stadt, um die Ecke wurde der Film geboren. Jetzt ist es Teil der Tacheles-Baustelle. Was wird daraus?

Von Laura Hofmann

Die erste öffentliche Vorführung eines Films fand nicht etwa in Paris statt, sondern in Berlin. Im Wintergarten des Hotel Central, direkt neben dem Bahnhof Friedrichstraße, zeigten die Brüder Max und Emil Skladanowsky aus Pankow am 1. November 1895 mit dem von ihnen entwickelten Bioscop erstmals kurze Filmsequenzen vor einem zahlenden Publikum – acht Wochen bevor die Brüder Lumière im Grand Café am Boulevard des Capucines in Paris am 28. Dezember zehn selbst gedrehte Kurzfilme präsentierten.

Im Juni 1944 wurde das Hotel Central samt Wintergarten durch einen Bombenangriff zerstört. Die Geburtsstätte des Films war damit Geschichte. Doch nur wenige Gehminuten entfernt gibt es heute noch immer einen Kinosaal – den letzten auf der Friedrichstraße. Das ehemalige „Scala Kino“ mit der Hausnummer 112 a ist Berlins drittältestes Filmspielhaus – nach dem Moviemento in Kreuzberg, das 1907 eröffnete, und den Tilsiter Lichtspielen in Friedrichshain, die 1908 erstmals Bilder laufen ließen.

Das Scala ist Teil der rund 25.300 Quadratmeter großen Tacheles-Fläche, die der US-Investmentkonzern „Perella Weinberg Real Estate“ 2014 gekauft hat. Eine Initiative um Filmgrößen wie Wim Wenders, Rosa von Praunheim und Alexander Kluge will das Kino nun retten und reaktivieren.

Denn im Zuge des riesigen Bauprojekts – im „Tacheles-Quartier“ sollen Wohnhäuser verschiedener Typen sowie Geschäfts- und Bürogebäude und ein Hotel entstehen – befürchten die Filmschaffenden „die finale Auslöschung des Saals und somit die Löschung letzter Spuren am Geburtsort der Kunstform Film“.

"Berlin hat nicht so ein Kulturbewusstsein"

Marbo Becker, Regisseur und Produzent, der den Protest in Berlin organisiert, steht an einem kalten Donnerstag im Dezember vor dem Haus in der Friedrichstraße 112 a. Ein schon halb zerstörtes Schild mit dem Namen „Scala“, rot auf weißem Untergrund, hängt über dem Eingang und weist noch auf die kulturelle Vergangenheit des Hauses hin; im Erdgeschoss residierte bis vor Kurzem der Irish Pub Oscar Wilde. Jetzt ist das Gebäude Teil der Tacheles-Baustelle.

"Wäre dieser Ort in einer anderen Stadt, würde dort ein Leuchtturm stehen", sagt Becker. "Aber Berlin hat nicht so ein Kulturbewusstsein." Viele Dinge müsse man hier erst wieder ans Licht bringen. Dafür ist er hier. Er kennt den Saal gut, hat hier seit der offiziellen Schließung im Jahr 2000 an einigen Spartenfilmfestivals teilgenommen.

Nachdem die Yorck-Gruppe nach der Jahrtausendwende entschieden hatte, das Kino aus wirtschaftlichen Gründen aufzugeben, fanden im Scala nur noch sporadisch Veranstaltungen statt. Zum Beispiel das Berliner Videokunstfilmfestival der Directorslounge. Und das Kino wurde als Club genutzt. Die vielleicht letzten wilden Partys in halblegalen Etablissements in Mitte - hier fanden viele davon statt.

1908 wurde das Kino als Kinematografentheater „Überbrettel“ eröffnet, dem Publikum präsentiert es sich im orientalischen Design. Von 1932 bis 1957 hieß es dann „Aladin-Lichtspiele“. 1957 bis 1961 fungierte es unter dem Namen „Studio Camera“ als einziges DDR-Filmkunsttheater.

Wegen baulicher Mängel zieht es schließlich in den Kinosaal um die Ecke in der Oranienburger Straße 54–56, das spätere Tacheles-Kino. 30 Jahre später erweckt die Yorck-Kino-Gruppe das Kino erneut zum Leben. Vollständig renoviert wird das Haus mit knapp 150 Plätzen 1993 unter dem Namen „Scala“ wiedereröffnet.

Die prominente Truppe um Marbo Becker möchte die Geschichte bewahren. Ihr Plan: Der „letzte Kinosaal aus den Anfängen des Films“ soll ein „integrativer Begegnungsort für alle für den Film Tätigen aus aller Welt in Berlin“ werden. Auch der Senat habe bereits Unterstützung signalisiert.

Die Idee: ein Haus für Retrospektiven, Werkschauen, Filmpremieren

Unter dem Dach der Akademie der Künste und im Zusammenschluss mit sämtlichen weiteren filmrelevanten Institutionen des Landes soll ein Nutzungskonzept für den Kinosaal entstehen. Zur Diskussion stehen: ein Haus für Retrospektiven, Werkschauen und Filmpremieren, ein Ort des Dialogs über Film und Medien. Auch das ehemalige Restaurant Oscar Wilde im Erdgeschoss würde die Initiative gerne in ihr Konzept integrieren. Im ersten Stock, wo sich der Saal befindet, sei eine Bar denkbar.

Um für den Erhalt des Kinos zu werben, hat die Initiative Kontakt mit dem New Yorker Investor aufgenommen. Dessen Vertreter in Berlin schienen zwar nicht abgeneigt, doch der Forderung Wim Wenders’ von Oktober dieses Jahres, die Räumlichkeiten zu besichtigen, ist die Firma nicht nachgekommen.

Das liege daran, dass es sich um eine Baustelle handle, erklärte der Investor auf Tagesspiegel-Anfrage. Es werde ein Gesamtkulturkonzept für das Quartier geben, das sich gegenwärtig in der letzten Phase der Verhandlungen befinde. Man hoffe, es im Januar der Öffentlichkeit präsentieren zu können. "Wir wurden nicht befragt", klagt Becker. "Der Investor kooperiert mit den Filmschaffenden bisher gleich null."

Er hofft nun auf den Denkmalschutz. Beim Gebäude selbst handelt es sich um ein Baudenkmal. Nicht abschließend geklärt aber ist die Frage, ob auch der alte Kinosaal unter Denkmalschutz steht. Für die Beteiligung des Senats kann er sich ein Modell ähnlich dem der Ku’damm-Bühnen vorstellen, sagt Marbo Becke – dort wird die Miete bezuschusst.

Die alte „Scala“-Neonleuchtschrift ist übrigens nach Brandenburg gezogen. Seit November 2003 ziert sie das „Fontane Lichtspiele“-Kino in Werder.

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