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Berlin: Kultur-Tipps: Über angeleintes Wetter und sonnige Hunde

Der Mensch ist ein Thermometertier, an dem selbst ein Heiliger wie Petrus verzweifeln würde, hätte der sich nach Erfindung der Fernsehwetterkarte nicht sowieso in seine Himmelszelle eingesperrt und den Schlüssel weggeworfen. Im Juni haben wir unter der Hitze gestöhnt und im Juli beklagen wir die Kälte.

Der Mensch ist ein Thermometertier, an dem selbst ein Heiliger wie Petrus verzweifeln würde, hätte der sich nach Erfindung der Fernsehwetterkarte nicht sowieso in seine Himmelszelle eingesperrt und den Schlüssel weggeworfen. Im Juni haben wir unter der Hitze gestöhnt und im Juli beklagen wir die Kälte. Es gibt Leute, die möchten immer dort sein, wo sie gerade nicht sind. Deshalb fahren sie viel in den Urlaub, obwohl sie sich selbst auch so nicht los werden. Andere sehnen sich eben immer nach dem Wetter, das es gerade nicht gibt. Wenn das dicke gelbe Ding da oben richtig einheizt, träumt man von kühlen Brisen und Eis. Doch wenn es dann frisch wird, sind wir auch nicht fröhlich. Und erst der Regen. Ist der aber nass. Dabei lässt sich über ihn so viel sagen, wie Franz Hessel bewiesen hat: "Vielerlei Regen erlebt er, den erquickenden Frühlingsregen am Berliner Landwehrkanal, in den Kastanienbäume ihre Blütenkerzen tauchen, den Sommerregen am Luxembourggarten zu Paris, wo königliche Eisengitter wachsen zwischen den Bäumen drinnen im Garten und ihrem unterseeischen Spiegelbild im nass strahlenden Asphalt der Straße..." Wie es weiterregnet, können Sie in Hessels "Ermunterungen zum Genuss" nachlesen - oder sich vorlesen lassen, wenn Sie morgen um 20 Uhr 30 zum Literatursalon ins Restaurant Tucher am Pariser Platz gehen.

Hunde sind zur Zeit das Sommerthema Nummer zwei, flankiert von der CDU auf dem ersten und dem Wetter auf dem dritten Platz. Weil mir aber kein Witz einfällt, mit dem sich das dreierlei in einerlei verwandeln ließe, will ich die Hunde einfach ohne Unionswetter von der Leine lassen: Zum Beispiel das "Hündchen am Wegesrand" des polnischen Schriftstellers Czeslaw Milosz, das in diesen Tagen bei Hanser aus der Hütte kommt. Oder "Ein so junger Hund" von Patrick Modiano, der für den Berliner Kowalke Verlag aus dem Französischen übersetzt wird. Was aber den Cockerspaniel von Katharina Rutschky angeht, da müssen Sie sich - falls sie ihm nicht rund um die Bergmannstraße auflauern wollen, und das wäre ungehörig, denn auch ein Publizistinnenhund hat ein Privatleben - da müssen Sie sich bis Januar nächsten Jahres gedulden. Dann erscheint bei Rowohlt von Rutschky "Der Stadthund. Von Menschen an der Leine."

Bevor ich hier Leine ziehe, möchte ich noch auf "Morgen Land" hinweisen, eine Anthologie mit Texten von jungen und jüngeren Autoren. Komisch eigentlich, dass "junge Autoren" jung, und "jüngere Autoren" schon älter sind. Das ist wie bei der Börse. Wenn die Börse "schwach" ist, dann ist sie schwach. Wenn sie aber "schwächer" ist, ist sie immerhin stärker als dann, wenn sie "schwach" wäre. Jetzt dürfen Sie nur nicht denken, dass ich jung und schwach einer- und nicht ganz so jung und nicht ganz so schwach andererseits in Zusammenhang bringe. Ich will eigentlich nur sagen, dass in "Morgen Land" Autoren versammelt wurden, deren Eltern keine Deutsche sind; und dass das interessant ist; und dass Zoran Drvenkar, Sarah Khan, Jamal Tuschick und Paul Zelik daraus am Montag um 20 Uhr 30 in der Akademie der Künste lesen.

Der Satz der letzten Woche vom "weigernden Weibe" und "begehrenden Manne" stammte von Immanuel Kant, dem das Begehren nach einer nicht geglückten Jugendliebe zu anstrengend geworden war, und der sich hagestolz in ein sokratisches Dasein ohne Xanthippe zurückgezogen hatte, nur den unvergesslichen Diener Lampe im Haus. Der neue Satz der Woche geht so: "Wundern darf es mich nicht, dass manche die Hunde verleumden, denn es beschämet zu oft leider den Menschen der Hund."

Bruno Preisendörfer

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