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Berlin: Kumpanei mit ÖTV & Co

Der Sparwille des neuen Senats scheint an Grausamkeit zu grenzen. Jedenfalls fallen so die Absichtserklärungen des Finanzsenators aus, die alsbald durch eine softe Version des Regierenden Bürgermeisters ergänzt werden.

Der Sparwille des neuen Senats scheint an Grausamkeit zu grenzen. Jedenfalls fallen so die Absichtserklärungen des Finanzsenators aus, die alsbald durch eine softe Version des Regierenden Bürgermeisters ergänzt werden. Auch der Boulevard-Blätterwald berichtet herzzerreißend über die Verteuerung von Theaterkarten, das Aus für Behindertenprojekte und weniger Geld für Privatschulen, von den tiefen „Einschnitten" bei den Kita-Horten ganz zu schweigen.

Dies täuscht in zweierlei Hinsicht: Zum einen über die Wirkung dieser Sparmaßnahmen. Sie ist limitiert und wird limitiert bleiben, solange man den riesigen Kostenblock der Personalausgaben nicht frontal angeht. Zum anderen über den Sparwillen dieses Senats. Dieser ist so relativ wie der seiner Vorgänger. Im administrativen Personalbereich, wo Ausgaben drastisch gesenkt werden müssen und auch können, ohne dass sich an der Lebensqualität irgendetwas ändert, herrscht weiterhin Stillstand. Mehr noch: Der Senat verletzt seine haushaltsgesetzliche Verpflichtung, die globalen Minderausgaben im Personalbereich auch umzusetzen, wenn er mit Verbänden, die in der Haushaltsgesetzgebung kein Mitwirkungsrecht haben, diese Sparverpflichtungen verwässert. Dieter Grimm, Rektor des Wissenschaftskollegs zu Berlin, hat die Gefahren, die vom Einfluß derartiger Gruppen für die Demokratie ausgehen, als erster erkannt: Zwar ist die Haushaltsgesetzgebung demokratisch, doch liegt über ihr stets der Schatten möglicher Nachverhandlungen sprich Verwässerungen durch politisch privilegierte Gruppen. Die Macht dieser verfassungsrechtlich nicht vorgesehenen Gruppen ist mitnichten demokratisch legitimiert. Sie lebt von der Bereitschaft der Politiker, ihnen eine privilegierte Behandlung zu gewähren.

Bei der Kumpanei mit ÖTV & Co lassen sich Gysi und Wowereit aber durch niemanden übertreffen. Konsens läßt sich noch immer besser verkaufen als harte und mutige Entscheidungen. Dass auch aufschiebbare Entscheidungen wie im Personalbereich nicht von diesem Senat getroffen werden, dürfte sicher sein. Er spekuliert schon jetzt auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Bis dahin wird am Krisenszenario gearbeitet, um die neue Bundesregierung unter Druck zu setzen. Die Regie können dann diejenigen führen, die für die jüngsten Missetaten der Finanzpolitik verantwortlich sind: 20 Mrd. € Garantie für die Bankgesellschaft, eine saftige Bürgschaft für den Gebietsmonopolisten Berliner Wasser bei Verweigerung radikaler Privatisierung. Dies gehört zu den Besonderheiten der Berliner Verhältnisse: Die Politiker schaffen durch ihr Verhalten die Finanzverfassung ab und hoffen für die systematische Organisation der Insolvenz auch noch vom Bund durch Zuschüsse belohnt zu werden. Wenn die Missetaten der Politiker nicht nur sanktionslos bleiben, sondern auch noch prämiert werden, ist die Demokratie gefährdet.

Markus C. Kerber ist Privatdozent an der Technischen Universität (TU) Berlin

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