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Für ein Miteinander in Cottbus: Szene von der Demo "Gewaltfrei und ohne Hass in Cottbus leben", organisiert von Flüchtlingen und deutschen Initiativen.

© imago/Rainer Weisflog

Kundgebungen in Cottbus: Zwei Demos zwischen Herz und Hetze

In Cottbus demonstrieren am Samstag rund tausend Menschen für eine weltoffene Stadt. Zu einer rechtsgerichteten Kundgebung kommen danach deutlich mehr Teilnehmer.

Trotz der Appelle von höchster Stelle haben die Rechten in Cottbus wachsenden Zulauf: Um die Mittagszeit demonstrierten am Samstag zwar rund tausend Menschen in der Stadt gegen Angst und Hass, organisiert von Flüchtlingen als Reaktion auf Messerattacken von Syrern und auf fremdenfeindliche Angriffe von Deutschen. Doch nur Stunden später kamen zu einer erneuten Kundgebung des rechten Vereins "Zukunft Heimat" im Zentrum deutlich mehr Menschen. Beobachter sprechen von mindestens 4000 Teilnehmern. Beide Umzüge verliefen laut Polizei weitgehend friedlich.

Zuvor hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in einem Beitrag für den Tagesspiegel von einer sich selbst  beschleunigenden Dynamik in Cottbus und rechtsextremistischen Hasspredigern gewarnt, die gezielt darauf hinarbeiteten, "eine Spirale aus Angst, Hass und Gewalt in Gang zu setzen, von der nur sie allein profitieren".

Für Abgrenzung. Szene von der Anti-Asyl-Demo des AfD- und Pegida-nahen Vereins "Zukunft Heimat".
Für Abgrenzung. Szene von der Anti-Asyl-Demo des AfD- und Pegida-nahen Vereins "Zukunft Heimat".

© dpa, Bernd Settnik

Am Samstagmittag zog die von Flüchtlingen und dem Bündnis "Cottbus nazifrei" organisierte, bunte Demonstration durch die Stadt. Nur sporadisch konnten - wie geplant - Blumen an Passanten als Geste für ein friedliches Zusammenleben überreicht werden. Neben Flüchtlingen und Familien waren auch Landespolitiker dabei, darunter Kulturministerin Martina Münch (SPD), die in Cottbus lebt, aber auch der Chef der Linke-Landtagsfraktion, Ralf Christoffers und die Grünen-Landeschefin Petra Budke. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, war der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU)  nicht dabei -  wegen schon langfristig geplanter Termine.

Polizeistreifen werden aufgestockt, mehr Sozialarbeiter in die Stadt geschickt

Kelch hatte nach den beiden Messerattacken syrischer Jugendlicher auf Deutsche wiederholt einen Zuweisungsstopp von Landesregierung gefordert. Die Stadt mit ihren 100 000 Einwohnern sei mit dem Anstieg des Ausländeranteils binnen weniger Jahre von 2,5 auf 8,8 Prozent überfordert. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) lenkte ein: Es sollen vorerst keine Flüchtlinge mehr aus der zentralen Erstaufnahme des Landes mehr nach Cottbus geschickt werden. Zudem wurden die Polizeistreifen aufgestockt, es werden mehr Sozialarbeiter in die Stadt geschickt.

Menschenrechtsdemo. Teilnehmer des Umzugs für Verständigung und gegen Hass.
Menschenrechtsdemo. Teilnehmer des Umzugs für Verständigung und gegen Hass.

© imago/Rainer Weisflog

Die AfD und der Verein "Zukunft Heimat" haben das mehrfach als Eingeständnis für eine verfehlte Flüchtlingspolitik gewertet. Am 21. Januar, einige Tage nach den Messerattacken der minderjährigen Syrer, waren es noch 1500 Teilnehmer bei der Kundgebung des Vereins, bei der auch Journalisten bedroht wurden. Seither wächst der Zuspruch - wie die Teilnehmerzahl zeigt. Das am häufigsten skandierte Wort bei der rechten Demonstration am Samstag galt der Flüchtlingspolitik: "Widerstand!" Erneut waren Rechtsextremisten und Neonazi-Hooligans dabei. Am Samstag nahm die Polizei einen Demonstranten fest, der den Hitlergruß gezeigt hatte.

FC Energie Cottbus Trainer: "Das Bild von Cottbus ist eine Katastrophe"

Regierungschef Woidke und Kulturministerin Münch hatten versucht, dem Bild von Cottbus als fremdenfeindlicher Stadt zu widersprechen. Die Sorge vor einem weitreichenden Imageschaden ist groß. Selbst der Trainer des Fußball-Regionalligisten FC Energie Cottbus, Claus-Dieter Wollitz, der auf einen Aufstieg in die 3. Liga hoffen kann, hatte sich in der "Lausitzer Rundschau" damit zitieren lassen, seine Spieler würden die Vorgänge sehr beschäftigen, einige seien in der Stadt belästigt worden. Um sie langfristig an den Verein zu binden, könnte das ein echtes Hindernis für den Club sein. Wollitz im Interview: "Das Bild von Cottbus ist eine Katastrophe." Und Wissenschaftler der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg fordern nun in einem offenen Brief von der Stadt klare Zeichen gegen rechtsextreme Gewalt und Alltagsrassismus, der Verein "Zukunft Heimat" verbreite eine Stimmung von Hass und Gewalt und ein völkisches Weltbild.

Marsch durch die Innenstadt - die "Zukunft Heimat"-Demo.
Marsch durch die Innenstadt - die "Zukunft Heimat"-Demo.

© dpa, Bernd Settnik

Offenbar überlagern sich nun mehrere Probleme in der Stadt. Einerseits gilt Cottbus mit der Lausitz als Hochburg der rechten Szene in Brandenburg, hier werden die meisten rassistischen Gewalttaten registriert. Erst am Neujahrstag wurden drei Flüchtlinge von Rechten durch die Stadt bis in ihre Unterkunft gejagt und verprügelt.

Auch Pegida-Chef Lutz Bachmann mobilisiert in der Stadt

Zugleich sehen die Sicherheitsbehörden die Gefahr, dass Cottbus von einem rechten Bündnis aus AfD, Pegida, der rechtsextremistischen Identitären Bewegung und dem völkischen Netzwerk "Ein Prozent" zu einem neuen Dresden hochstilisiert und als neue Bühne für ihren Kampf auf dem Weg nach Berlin auserkoren wird. Der Lausitzer Verein "Zukunft Heimat" biete dafür die Gelegenheit, die Sicherheitsbehörden stufen ihn klar als "rechte Plattform“ ein.

Auch Lutz Bachmann sprach am Samstag in Cottbus, bei ihm waren weitere andere Vertreter der Pegida-Bewegung aus Dresden, wo immer weniger zu den Demonstrationen kommen. Fakt ist auch: Nicht wenige Demonstranten kamen von außerhalb angereist  - zumeist aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, aber auch aus Berlin und anderen Regionen Brandenburgs.

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