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Zum Ersten, zum Zweiten ... Fares Al-Hassan hatte sein Debüt als Auktionator bei der diesjährigen Kunstversteigerung der evangelischen Kirche in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche.

© Mike Wolff

Kunst für einen guten Zweck: Das Gute und das Schöne

Die Evangelische Kirche lud wieder zur Kunstauktion. Das war nicht nur Benefiz, das war Politik. Schließlich geht es um Flüchtlinge.

Fares Al-Hassan schreibt, sammelt Kunst, organisiert Ausstellungen und arbeitet als Auktionator. Er hat mehrere Firmen gegründet, am Freitag eröffnet er mit Freunden in Neukölln das Kreativhaus „Colonia Nova“ mit Ateliers und Ausstellungsräumen. Und an diesem Sonntag steht er in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche und schwingt das Hämmerchen. Denn immer wenn sich draußen die Blätter färben, lädt die evangelische Landeskirche zur Kunstauktion zugunsten von Flüchtlingen ein. Die Veranstaltung findet in diesem Jahr zum 19. Mal statt. Aber diesmal ist das alles andere als selbstverständlich.

Jahrelang lebte die Versteigerung von Auktionator Detlef Gosselck und seinem Temperament, mit dem er die Kunst an Mann und Frau brachte. Über 30 000 Euro kamen allein 2013 zusammen. Doch dann stellte sich heraus, dass er Kunst gefälscht hatte. Im November nahm sich Gosselck das Leben. Viele fragten sich, ob mit ihm auch die Kunstauktion gestorben sei. Aber nein, die Sammler und Kunstfreunde spendeten erneut Gemälde, Grafiken, Drucke und Skulpturen. Es braucht ja auch mehr Geld denn je, um Flüchtlinge in Berlin zu unterstützen. Auch dieses Jahr ist wieder jeder Stuhl in der Kirche besetzt und alle starren gespannt nach vorne, wo Fares Al-Hassan ruft: „Zum Ersten, zum Zweiten ...“ Kurt Mühlenhaupts „Anhalter Bahnhof“ ist mit 120 Euro angesetzt. „Höre ich da hinten 240 Euro?“, fragt Al-Hassan. Es werden 380 Euro.

Bischof Dröge hat "bittere" Erfahrungen gemacht

Der 36-Jährige hat nicht ganz so viele Geschichten zu den Bildern zu erzählen wie Gosselck, aber auch er macht seine Sache gut. Fares Al-Hassan hat Sinn fürs Schöne, das sieht man auch seinem blauen Anzug mit den weißen Pünktchen an. Aber eben nicht nur fürs Schöne, sondern auch fürs Gute. Denn er weiß, was harte Arbeit ist. Und auch Flucht- und Migrationserfahrung gibt es in seiner Familie. Sein Vater kam als Student aus Aleppo in die DDR, seine Mutter ist Deutsche. Er selbst ist in der Altmark geboren und in Köln aufgewachsen.

Bischof Markus Dröge erinnert die Kunstfreunde daran, dass in den vergangenen 14 Jahren im Mittelmeer 22 000 Menschen beim Versuch, nach Europa zu gelangen, ertrunken sind. Diese Zahl hatte die Internationale Organisation für Migration kürzlich gemeldet. „Das Mittelmeer ist zu einem Massengrab geworden. Und wir schauen diesem Skandal mehr oder weniger rat- und hilflos zu.“ Das gelte auch für die Flüchtlinge, die in Berlin seit zwei Jahren versuchten, Gehör zu finden. Zu erleben, wie Politiker die Verantwortung auf die nächst höhere Ebene schöben, „das ist frustrierend“, sagt Dröge. Die Erkenntnis sei „bitter, dass wir als Kirche den Flüchtlingen am Ende nicht das geben können, was sie wirklich brauchen, nämlich politische Klarheit.“ Die Sicherheit und Würde der Flüchtlinge dürfe nicht im Streit um Zuständigkeiten unter die Räder geraten, mahnt der Bischof. „Nachdem die so genannte Oranienplatz-Vereinbarung zwischen Senat und Flüchtlingen keine Lösung gebracht hat, sind einige Flüchtlinge mittel- und obdachlos.“ Die Politik müsse endlich aktiv werden.

Der Auktionator hat Verwandte in Syrien verloren

Fares Al-Hassan hat Verwandte in Syrien verloren. Cousins konnten sich in andere Länder flüchten und machen dort die Erfahrung, dass sie nicht willkommen sind. "Sehr deprimierend, was da draußen in der Welt los ist", sagte Al-Hassan vor Beginn der Auktion im Café. Die Welt schaue zu, wie gerade eine ganze Stadt platt gemacht werde. Er meint das syrische Kobane an der türkischen Grenze, das von den Schlächtern des „Islamischen Staates“ erobert wird. Es sei eine „Gnade“, dass er hier in Berlin leben könne und dass es ihm so gut gehe. Von diesem Glück möchte er anderen etwas abgeben. Er organisiere zwei, drei Ausstellungen im Jahr, davon könne er mit seiner kleinen Tochter gut leben, erzählt er. Daneben engagiert er sich in Kunstinitiativen und setzt seine Talente für gute Zwecke ein. „Zum Ersten, zum Zweiten ...“ – schon ist eine handsignierte Serigrafie von Dali für 380 Euro verkauft. Am Abend sind auf diese Weise 33 000 Euro zusammengekommen. Mit dem Galerieverkauf tags zuvor und den Nachkäufen beträgt die Bilanz am Ende 40 000 Euro. Das kann sich sehen lassen.

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