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Schönheit und Struktur. "Huksos" steht auf dem Lützowplatz in Tiergarten.

© Rhilo Rückeis

Kunst im Stadtraum: Von Nazis vertriebener Bildhauer schenkt Berlin eine Skulptur

Erwin Fabian hat seiner Heimatstadt die gewichtige Skulptur „Huksos“ geschenkt. Der fast 103-Jährige lebt heute in Australien.

Der Lützowplatz in Tiergarten ist momentan nicht gerade ein Ort mit großer Aufenthaltsqualität. Genaugenommen gar keiner, ist er doch weitgehend von Zäunen umzingelt, hinter denen es wüst aussieht, Baustellen haben eben nie Parkcharakter. Die Berliner Wasserbetriebe sanieren dort seit einiger Zeit ein unterirdisches Wasserbecken, erst nach Abschluss der Arbeiten, die länger dauern als eigentlich geplant, soll der Platz wieder zur präsentablen Grünfläche umgestaltet werden.

Doch ist er noch immer ein Ort der Kunst. An seiner Nordostecke zeugen einige Skulpturen aus Stein und Metall von einem Bildhauersymposium, das dort 1990 vom Kunstamt Tiergarten veranstaltet worden war. An der Ostseite, eingezäunt, doch vom Bürgersteig aus gut zu sehen, kam 1995 eine bronzene Figurengruppe Sabina Grzimeks dazu. Vor der Wende vom Ost-Berliner Magistrat erworben, sollte sie danach von ihrem Standort in Mitte verschwinden, wurde aber dank einer Initiative der Galerie Poll vom Bezirksamt Tiergarten am Rande des Lützowplatzes aufgestellt.

Gegenüber der Skulptur stand früher Fabians Elternhaus

Seit kurzem ist ein weiteres bildhauerisches Werk dazu gekommen, und im Gegensatz zu den schon seit Jahrzehnten dort stehenden Skulpturen hat es einen direkten Bezug zu dem Ort, an dem es weiter Rost ansetzen darf. Es ist das stählerne, gut zwei Meter hohe und etwa 300 Kilogramm schwere Werk „Huksos“ des australischen Bildhauers Erwin Fabian, ein Geschenk des 1915 in Berlin geborenen, durch den Rassenwahn der Nazis 1938 vertriebenen Künstlers an seine Heimatstadt.

Der Ort, an dem „Huksos“ jetzt steht, an der Südwestecke des Lützowplatzes, wurde nicht zufällig ausgewählt: Schräg gegenüber, etwa in der Mitte der Fläche, die das Hotel Berlin einnimmt, stand das Haus seiner Eltern, des Malers Max Fabian und seiner Frau Else. Es hat etwa drei Jahre gedauert, bis das gewichtige Präsent endlich seinen Platz im Berliner Stadtraum gefunden hatte. Ein informeller Freundeskreis hatte sich dafür zusammengefunden, vorneweg die Kunsthistorikerin Anna-Carola Krausse, unterstützt durchs Stadtmuseum Berlin, das die Patenschaft übernahm. David Cheuck Hon Ng vom Skulpturenpark Wesenberg übernahm die Transportkosten, die Ilse-Augustin-Stiftung für bildende Künstler die Aufstellung. Denn wenngleich solch ein massives Gebilde niemand so leicht umwirft – ein stabiles Fundament samt Verankerung durch drei Eisenstäbe musste doch her, sicher ist sicher.

Der Künstler Erwin Fabian.
Der Künstler Erwin Fabian.

© Daniel Fabian

Der Kontakt zwischen dem Stadtmuseum und dem fast 103-jährigen Künstler kam Ende der neunziger Jahre zustande. Bei einem Besuch in seiner Heimatstadt sprach Erwin Fabian beim damaligen Abteilungsdirektors „Bildende Kunst“, Dominik Bartmann, vor, um für eine Ausstellung über seinen in Berlin weitgehend vergessenen Vater zu werben. Im Gespräch erwies sich auch seine eigene Biografie, sein Werk als Bildhauer als so spannend, dass man sich im Museum zu der im Jahr 2000 im Ephraim-Palais gezeigten Doppelausstellung „Max und Erwin Fabian. Berlin – London – Melbourne“ entschloss.

Das Werk des Vaters verbrannte im Bombenhagel

Von den impressionistischen Werken Max Fabians sind nur wenige erhalten. Er war bereits 1926 gestorben, zehn Jahre später richtete ihm das Jüdische Museum in der Oranienburger Straße eine Gedächtnisausstellung aus, an der auch sein Sohn Fabian mitwirkte. Den künstlerischen Nachlass nahm die Witwe mit ins Londoner Exil, wo er dem „Blitz“, dem Bombenterror der deutschen Luftwaffe, zum Opfer fiel.

Auch Erwin Fabian, von dem sich heute Arbeiten in verschiedenen Museen Australiens, im Londoner British Museum, in der Berlinischen Galerie und eben im Stadtmuseum finden, wollte schon früh Künstler werden, studierte unter anderem an der Berliner Kunstgewerbeschule, dem heutigen Gropius-Bau, bis er 1933 aus „rassischen“ Gründen entlassen wurde. 1938 nach London emigriert, wurde er bei Kriegsausbruch als „alien“ registriert, im Folgejahr interniert, nach Australien gebracht und landete in einem Wüstencamp 600 Kilometer westlich von Sydney.

Seine Internierung endete 1942 mit dem Eintritt in die australische Armee, in der er beim „Army Education Service“ diente. Nach der Demobilisierung arbeitete er als Gebrauchsgrafiker, kehrte für gut ein Jahrzehnt nach London zurück, bevor es ihn Anfang der sechziger Jahre endgültig nach Australien zog. Bei Fahrten quer durchs Land entdeckte er für sich das Material, das fortan sein künstlerisches Schaffen bestimmen sollte: Schrott. Ramponierte Pflüge, Eggen, Traktoren, das im Gebrauch verschlissene, nun unbeachtet vor sich hin rottende landwirtschaftliche Gerät, das Fabian zu neuen Formen zusammenfaltete, -hämmerte, -schweißte.

Gebilde von seltsamer, der Massivität des Materials trotzenden Schwerelosigkeit sind so entstanden, irgendwo zwischen Abstraktion und Figürlichkeit verharrend, zu allerlei Assoziationen anregend, denen Fabian durch Titel, die der antiken Mythologie entlehnt sind, mehr unbewusst eine erste Richtung weist. „Immer nur ,Untitled‘ hinzuschreiben, das mag ich nicht“, so hatte er es im Vorfeld der Berliner Ausstellung erläutert, in seinem Atelier in Melbourne, das mehr einer Schlosserei mit Schrottlager als einer Künstlerwerkstatt glich. Beim Arbeiten denke er noch nicht an Namen, erst hinterher. „Eventuell komme ich auf griechische Namen und weiß dann nicht mehr, wie ich dazu gekommen bin. Aber es muss eine gewisse Art Verbindung haben. Eventuell etwas sehr Persönliches.“

Die Schönheit der Struktur

Auch der Titel „Huksos“ verweist weit zurück in die Vergangenheit. Die Hyksos waren Fremdherrscher, die für gut 100 Jahre, etwa zwischen 1650 und 1550 v. Chr., die Herrschaft über das alte Ägypten an sich gerissen hatten, bis sie wieder vertrieben wurden. Man kann darin eine Anspielung auf aktuelle kriegerische Konflikte, auf Flucht und Vertreibung sehen, nahegelegt auch durch das an ein Bullauge erinnernde Detail in dem oberen, wie in Balance verharrenden Segment der Skulptur.

Doch das alles bleibt im Vagen, und auch von Fabian selbst darf man wohl Auskünfte übers Handwerkliche, aber keine präzisen Deutungen seiner Werke, druckfertige Interpretationen gar erwarten. Allenfalls eine Andeutung über die „Schönheit der Struktur“, die ihn reize, oder einen tastenden Satz wie „Bestimmte Sachen haben die Möglichkeit, etwas vorzuschlagen“. Doch gleich wird er wieder zurückgenommen: „Sobald ich das sage, erscheint es mir kümmerlich.“

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