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Performance des Künstlers Mischa Badasyan.

© Abdulsalam Ajaj

Performance-Künstler Badasyan: „Ich wache auf und habe tausende Ideen“

Der Künstler Mischa Badasyan geht für die Kunst an seine Grenzen. Nun macht er Performances mit nackten Menschen – mitten in der Hauptstadt.

Mischa Badasyan sitzt in einem Café in Neukölln, schwitzt wie alle und erzählt. Davon, wie er in diesen Tagen ganz früh morgens – die Hitze noch kaum spürbar – Berliner U-Bahn-Stationen aufsucht und dort nackte Menschen fotografiert, auf leeren Sitzbänken und Treppengeländern. „Ich liebe diese Stadt. Ich will mit ihr verbunden sein“, sagt er. Dafür fotografiert er Körper an seinen Berliner Lieblingsorten, zur Zeit im Nahverkehr, zuletzt am Wasserfall im Viktoriapark in Kreuzberg. Es sind romantische Bilder, Liebesbekenntnisse.

„Der deutsche Staat nervt mich ohne Ende“

Für jede Aktion muss der 30-Jährige kämpfen: Um den öffentlichen Raum für eine Performance nutzen zu können, schlägt er sich mit bürokratischen Hürden rum. „Der deutsche Staat nervt mich ohne Ende“, klagt er. „Einen Künstler, einen freien Geist können diese Reglementierungen umbringen.“

Sechs Monate hat er versucht, vom Grünflächenamt die Genehmigung für seine Aktion im Viktoriapark zu erhalten. Nur um dann, kurz vor dem Start der Performance, eine Absage zu bekommen. Am Ende hat er sie trotzdem gemacht – und seinem Sachbearbeiter eine süffisante Mail geschrieben: „Sie treiben mich in die Illegalität.“ Über „Waterfall“ gerät er ins Schwärmen: „Es war wunderschön. Die Menschen sind um sechs Uhr morgens aufgetaucht und haben sich ausgezogen.“

Mischa Badasyan bei der Arbeit an "Waterfall" im Kreuzberger Viktoriapark.
Mischa Badasyan bei der Arbeit an "Waterfall" im Kreuzberger Viktoriapark.

© Abdulsalam Ajaj

Die Begegnung der Körper ist es, die Mischa Badasyan und seine Performenden berührt. Kollektives Nacktsein als Körpertherapie. „Ich will Kommunen schaffen. Das muss das Postsowjetische in mir sein.“ Er wuchs in Russland auf. Nach Deutschland kam Mischa Badasyan im Alter von zwanzig Jahren, um in Dresden einen Freiwilligendienst bei der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste zu absolvieren. Geblieben ist er, um in Dresden Soziale Arbeit und in Frankfurt (Oder) Kulturwissenschaften zu studieren. In Berlin, wo er als Sozialarbeiter tätig ist, lebt er seit sechs Jahren.

„Ich habe mich selbst vergewaltigt“

Hier arbeitet er an seiner Kunstrecherche „Touch“, einer langfristigen Auseinandersetzung mit Intimität. Sie folgt auf ein Projekt, für das Mischa Badasyan ein Jahr lang jeden Tag mit einem anderen Mann schlief: „Save the date“. Das hat ihn an seine Grenzen getrieben. „Mich physisch zu verletzen macht mir mittlerweile nichts aus. Ich kann mich eine Stunde lang problemlos vor Publikum auspeitschen.“

Viel herausfordernder sei die emotionale Erfahrung, ein Jahr lang jeden Tat eine neue Person zu daten: „Das war Horror, ich habe mich selbst vergewaltigt.“ Dass es ein Wagnis sei, wusste Badasyan. Er habe den positiven Bezug zu seinem Körper verloren. Klar wurde ihm auch, dass manches schief läuft in dieser Stadt, in ihrer Party- und Chem-Sex-Szene. „Viele Menschen wollten sich ungern zeigen und fotografieren lassen, weil sie sich zu abgefuckt, zu einsam fühlen.“

Der Künstler Mischa Badasyan lässt zur Zeit nackte Menschen an Berliner U-Bahn-Stationen posieren.
Der Künstler Mischa Badasyan lässt zur Zeit nackte Menschen an Berliner U-Bahn-Stationen posieren.

© Abdulsalam Ajaj

An Provokation sei ihm nicht gelegen. Umso ironischer, dass das Zarte an seinen Arbeiten häufig nicht gesehen wird. Stattdessen gilt er seit „Save the date“ als der Künstler mit dem vielen schwulen Sex. Davon unbeirrt lotet er weiter Gefahren und Chancen von zwischenmenschlicher Nähe aus.

Ein Beispiel ist seine Performance „Cruising“, bei der sich Menschen in roten Unterhosen umarmen. Mit ihr tourt er auch durch den postsowjetischen Raum, bringt Menschen auf der Gay Pride in der Ukraine oder in der Republik Moldau zusammen. In die Region zieht es ihn immer wieder. Als Aktivist möchte er etwas beitragen zu den Kämpfen, die queere Menschen in Osteuropa ausfechten.

Mischa Badasyan will nicht profozieren sondern Kommunen schaffen.
Mischa Badasyan will nicht profozieren sondern Kommunen schaffen.

© Abdulsalam Ajaj

„Ich finde es immer erstaunlicher, was Frauen aushalten“

Mischa Badasyan ist ständig in Bewegung. „Ich wache auf und habe tausende Ideen. Mich kann alles inspirieren, mich inspiriert dieser Strohhalm hier“, sagt er und zeigt auf sein Glas. Während er noch an „Touch“ arbeitet, plant er bereits seine neue Reihe. Bei „Pain“ sollen verschiedene Arten von Schmerz im Mittelpunkt stehen.

Den Anfang machen die schmerzlichen Erfahrungen weiblicher Körper: Geburt, Menstruation. „Ich finde es immer erstaunlicher, was Frauen aushalten. Jedes Mal, wenn Freundinnen mir von ihrer Menstruation erzählen, bewundere ich sie mehr.“ Er kann es kaum abwarten, weiterzugehen. Dahin wo, es weh tut.

Wer an den Aktionen von Mischa Badasyan teilnehmen möchte, kann sich über facebook.com/badasyanmischa oder instagram.com/mischaartbadasyan melden.

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