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Akute Veränderung. Julie Gayard und Johannes Braun wollen das Acud weiterentwickeln.

© Björn Kietzmann

Kunsthaus Acud in Berlin wird 25: Ein letztes Stück vom alternativen Mitte

Als „autonome Galerie“ eröffnete das Acud 1989 in einem besetzten Haus. Es wurde zur Institution, doch das Geld fehlte. Zum 25. Jubiläum hat nun ein Verein den Club in Mitte übernommen.

Die neuen Buchstaben leuchten etwas zu hell. In zackiger Schrift sind die vier Lettern – ACUD – über dem Eingangsportal des Hauses mit der himmelblauen Fassade montiert. Die Installation besteht aus Leuchtstoffröhren. Sie blinken in der Nacht. Johannes Braun, einer der neuen Betreiber der Kulturinstitution in Mitte, bekam deshalb schon Post vom Ordnungsamt. Der Vorwurf: Lichtbelästigung. Es habe Beschwerden gegeben.

Vielleicht ist das ja bereits der erste Erfolg, den die neuen Betreiber des Kulturhauses in der Veteranenstraße erzielt haben, denn immerhin leuchtet da nun wieder etwas in Mitte – wenigstens nimmt man das Haus wieder wahr. Braun hat gemeinsam mit anderen Kulturakteuren die Initiative „Acud macht neu“ gegründet – einen Verein, der das 2010 insolvent gegangene Haus neu erfinden will. Und der eines der letzten verbliebenen selbstverwalteten Kulturzentren in Mitte erhalten will. „Wenn man sieht, was sich hier in der Gegend in den letzten 20 Jahren verändert hat, blutet einem schon das Herz“, sagt der gebürtige Berliner Braun.

Wurzeln im alten WMF und der Villa Elisabeth

Gegen blutende Herzen hilft nur Herzblut. Davon bringen Johannes Braun, 41, und seine Kollegin Julie Gayard, 40, einiges mit. Darüber hinaus sind die beiden Neubetreiber, die jetzt im Vorgarten des Acud gegenüber des Weinbergparks sitzen, bestens in der Szene vernetzt – sie haben bei Veranstaltungen im alten WMF und der Villa Elisabeth mitgewirkt, Audio- und Video-Installationen gemacht, beide arbeiteten als VJ und DJ. So war es nicht schwierig, erste Ausstellungen, Konzerte und Clubabende zu organisieren. Für den Tag der offenen Tür am Sonnabend haben sie einen Teil ihrer Community zusammengetrommelt.

Dass es das Acud nicht mehr geben sollte, konnten sie sich einfach nicht vorstellen. Es ist eine Legende in Mitte. Silvester ’89 gründete sich die „autonome Galerie Acud“ in einem besetzten Haus, eines der vielen selbstorganisierten Kulturprojekte der Wendezeit. Im Jahr 1991 zog man ins jetzige Anwesen, ein großes Gebäude mit vier Flügeln, die sich um einen Innenhof gruppieren. Die Betreiber verbanden Off-Theater mit Kino, Jugendkulturhaus mit Galerie. In den 90ern war das Acud, das keine Fördermittel der Stadt bekam, auch als Club sehr gefragt. Das Geld war immer schon knapp, aber nach „schier endloser“ Renovierung, wie Braun sagt, war das Acud 2010 schließlich insolvent. Nur noch der Theater- und Kinobetrieb konnte im Insolvenzverfahren fortgesetzt werden. Ein Jahr lang hätten sie beraten, wie man das Haus doch noch retten könnte. Anfang 2014 stand das Konzept: Ein Kredit finanziert den Relaunch – wie ein solcher wirkt es tatsächlich, schaut man sich allein die komplett veränderte Außendarstellung und die Bindung an die jüngere kontemporäre Szene an. Das Musicboard Berlin schoss im Rahmen des „Pop im Kiez“-Projekts 30 000 Euro zu, während die Förderverträge zwischen der Stadt und dem Acud übernommen wurden. Sie sehen etwa vergünstigte Konditionen zur kulturellen Nutzung vor.

Vielleicht wird so nun aus einem etwas vernachlässigten Kulturzentrum ein Zentrum für zeitgenössische Kunst und Kultur. Mit Lesungen, mit philosophisch- künstlerischen Symposien, Konzerten mit frischen, subkulturellen Acts ist der Neustart jedenfalls klar konturiert. „Uns war klar, dass man den Ort neu definieren muss“, sagt Julie Gayard. Das Haus sei ein bisschen zu abgekapselt gewesen, als es so quasi im Notbetrieb vor sich hin vegetierte. „Wir wollen den Raum wieder öffnen, es soll ein von früh bis spät lebendiges Haus sein.“

Was nun folgt, ist Dialog. Gemeinsam mit den jetzigen Nutzern – eine Sprachschule, eine Musikschule, ein französisches Theaterfestival, kleine Ateliers für Künstler und Schriftsteller sowie Proberäume befinden sich im Haus – wollen die neuen Betreiber wieder eine gefragte Adresse aus dem Acud machen: „Es soll sowohl ein anspruchsvoller Kunstverein wie auch ein Nachbarschaftshaus sein“, sagt Gayard. Keine Denkverbote, sagt die Charlottenburgerin – und sie spricht auch von der Idee eines Treffpunkts für die Bewohner des Seniorenheims um die Ecke. Klar ist hingegen schon, dass die Sub- und Popkultur (wieder) stärker einziehen soll hinter der blauen Fassade. Das Berlin Community Radio, im vergangenen Jahr gegründet, soll einen Clubabend pro Monat gestalten. Vor allem soll das Acud wieder für Konzerte und Musik da sein – der zum Innenhof gelegene Club hat eine Kapazität für rund 120 Leute.

„Es soll ein Ort werden, für den es sich lohnt, hierherzukommen“, sagt Gayard, „so gibt es dann endlich wieder einen Musikort in Mitte, in dem auch nach zehn Uhr gespielt werden darf.“ Im Schokoladen in der Ackerstraße, dem Bruder im Geiste, darf nur bis 22 Uhr Livemusik gespielt werden. Und auch wenn den Nachbarn das Licht des Acud bereits jetzt zu grell ist, so fürchten die Betreiber zumindest wegen des Krachs keine Beschwerden: da das Acud ein alleinstehendes Haus ist.

Die Fassade soll begrünt werden

Derzeit werden weiterhin Räume renoviert, „strukturell notwendige Dinge erledigt“, wie Braun sagt. Auf der biergartentauglichen Terrasse soll alles bleiben wie es ist, nur soll aus blau grün werden: „Die Fassade würden wir gern beranken“, sagt Braun. Die erste Aufgabe sei es, das Haus übersichtlicher zu gestalten, den Besuchern Orientierung zu geben, wo sich was befinde. Ein bereits aufgestellter Wegweiser hilft da schon, es wird aber sicher noch mehr zu tun sein, damit sich Besucher nicht vor der Eingangspforte des großen Backsteingebäudes oder im Innenhof allzu verloren vorkommen.

Das Kino und das Theater wird es natürlich weiterhin geben. In einem heruntergekommenen Treppenhaus kleben kopierte Shakespeare- oder Simplicissimus-Plakate auf dem Putz, die den Weg zur Off-Bühne weisen; das Programmkino eine Etage höher hat erst kürzlich eine voll digitale Anlage bekommen. Das Acud macht nicht nur neu, es macht auch aus alt neu. Auf dass in Mitte nicht gänzlich die Lichter ausgehen.

Das Acud, Veteranenstraße, Mitte, öffnet am Sonnabend ab 14 Uhr mit Live-Musik , Lesungen, Theater, Kino und anschließender Party mit zwölf DJs. Mehr Infos hier

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