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Berlin: Kunstunternehmer Gerd Harry Lybke

Morgens um neun in der Auguststraße: Ein lässigelegant gekleideter Mann tritt aus seiner Galerie Eigen & Art, Künstlerkopf, kurze Haare, eine schicke, braun gestreifte Hose und Weste, weißes offenes Hemd, kurze Ärmel. Sein Erscheinungsbild ist sein Programm.

Morgens um neun in der Auguststraße: Ein lässigelegant gekleideter Mann tritt aus seiner Galerie Eigen & Art, Künstlerkopf, kurze Haare, eine schicke, braun gestreifte Hose und Weste, weißes offenes Hemd, kurze Ärmel. Sein Erscheinungsbild ist sein Programm. Da sitzt einer der erfolgreichsten „Kunstunternehmer“ der neuen Republik, in seinem Künstler-Portfolio – so nennt er es – sind exklusiv so bedeutende Namen wie Neo Rauch, Carsten und Olaf Nicolai, Matthias Weischer und Birgit Brenner. Ihre Bilder, fast alles unter dem Label „Leipziger Schule“, sind rund um den Globus hoch begehrt.

Mit einem sympathischen sächsischen „Weichmacher“ in der Stimme erklärt der ehemalige Maschinen- und Anlageningenieur-Student seinen kurvenreichen Weg durch die DDR-Zeit zum heutigen „Kunst-Kapitalisten“. Die Mutter hat als Kaltmamsell gearbeitet, der Vater war Zimmermann. Die Kindheit verbrachte Gerd Harry Lybke in einem Einfamilienhaus mit Garten in einer Arbeitersiedlung in Leipzig-Moisdorf. Fast bürgerlich ging es zu. Das Angebot des Staates, eine Karriere als Ingenieur im Atomkraftwerksbau zu machen, hat er „wie eine Vaterhand ausgeschlagen“. So wurde er ein „Asozialer ohne Kaderleiter“, damit fast chancenlos. Mit Modellstehen, Regie und Schauspielerei an einer Studentenbühne hat er sich etwas Geld verdient und Kontakte zu Künstlern geknüpft. Es folgt die Hochschule für Grafik und Buchkunst und ab 1983 seine erste Galerie in Leipzig. Sein Prinzip war damals wie heute ein enger, lebenslanger Kontakt zu seinen Künstlern. Für den Aufbau seiner zweiten Galerie nach der Wende in Berlin hat ihm Dr. Oetker ein zinsloses Darlehen von 50 000 Mark gegeben. „Wenn was ist, komm mal vorbei“, hatte der engagierte Kunstsammler ihm gesagt. Dann ging es Schlag auf Schlag: Als erster ostdeutscher Galerist 1990 an der Messe in Frankfurt, 1991 in Köln und 1992 in Basel. An der documenta X in Kassel war er mit fünf Künstlern vertreten!

„Temporäre Galerien“ in Tokio, London oder New York haben seinen Künstlern international Aufmerksamkeit beschert. Aber Deutschland ist für ihn „der interessanteste Kunststandort“. Mit zwei Beinen in Leipzig und Berlin steht der „knallharte Unternehmer“, wie er sich nennt, prächtig da. Von den „ein bis zwei Millionen Euro Umsatz" erhalten die Künstler die Hälfte, die andere Hälfte ist noch gut für einen kräftigen Gewinn.

Weil er „aus dem Osten ist und nicht viel für sich braucht“, investiert er das, was übrig bleibt. Eine eigene Sammlung will er nicht, aber ein Rücknahmerecht bedingt er sich aus, wenn ein Sammler wieder verkaufen will. Eher etwas napoleonisch klingt es, wenn Harry Lybke sagt: „Natürlich geht es um Weltruhm und darum, Kunstgeschichte zu schreiben“, aber ein Stück des Weges dahin hat er ja schon hinter sich gebracht. Für die Nachwelt hat er vorsichtshalber mit seiner Frau auch noch eine sechs Jahre alte Tochter Zara, die gerade eingeschult wurde.

Heik Afheldt war Herausgeber des Tagesspiegels

Gerd Harry Lybke (44). Der Leipziger

Galerist ist Inhaber von Eigen & Art. 1983 eröffnete er die Galerie in Leipzig, 1992 entstand die Dependance in Berlin-Mitte.

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