zum Hauptinhalt

Berlin: Kurzfilm: Dreizehn Minuten bis zum tödlichen Schuss

Kurzfilm-Festival im Kurvenstar, neulich abends. Die wenigen Außenseiter sind leicht zu erkennen: Jeder, der nicht Second-Hand-Pelz, dunkelrote Lippen oder Raver-Bärtchen trägt.

Kurzfilm-Festival im Kurvenstar, neulich abends. Die wenigen Außenseiter sind leicht zu erkennen: Jeder, der nicht Second-Hand-Pelz, dunkelrote Lippen oder Raver-Bärtchen trägt. Mittendrin: Christoph Lehmann. Korrektes Jackett, harmloses Gesicht, beflissene Bank-Angestellten-Höflichkeit. Der 23-Jährige ist Regisseur und Produzent von "Portrait", einem Film, der an diesem Abend laufen wird. Bis hierhin war es für ihn ein langer, ungewöhnlicher Weg.

Mit 12 zieht der Chemnitzer aus dem Schrank seiner Großmutter eine 8-Millimeter-Kamera. Fortan filmt er alle Feste und zwingt - natürlich gegen Eintritt - die Verwandten zu Kinoabenden. Jetzt wusste Christoph Lehmann: "Ich will Filmer werden".

In der zehnten Klasse die große Chance: Die Schüler wollen das Buch "Die Welle" verfilmen. Christoph schreibt das Drehbuch, führt Regie, hält das Team zusammen. Nach zwei Jahren ist der Film fertig. Zum Schluss müssen alle Darsteller Mützen tragen, weil die Frisuren sich so verändert haben.

Den Sommer 1994 drehen die Enthusiasten "eine Art GZSZ-Herz-Schmerz-Geschichte". Je kommerzieller, desto besser, meint Lehmann. Weitere Kurzfilme werden ausgezeichnet. Nach dem Abi produziert Lehmann Imagefilme - verdient "zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig", geschweige denn zum Filmen. Eine Sackgasse.

Er heuert Spezialisten für Softwareentwicklung und Web-Anwendungen an, nennt seine Firma "Memotrix Communications AG", erwirtschaftet 400 000 Mark Umsatz. Ende 2001 soll es eine Million sein. Lehmann entflieht Chemnitz und lässt sich in Potsdam nieder. An ein Filmstudium denkt er keine Sekunde. Er lernt die Leute kennen, mit denen er "Portrait" produziert. Sein Hauptdarsteller Martin Ecker ist der Chef einer Werbeagentur, seine Produzentin Maja Peinl wurde an allen Filmhochschulen abgewiesen, der Kameramann Reiko Blaschke war Schnitt-Assi. Alle arbeiten umsonst ("bin halt ein sparsamer Ossi", sagt Lehmann). Deshalb verhandelt er mit der Post-Produktionsfirma "Das Werk": Die Fernsehversion wurde umsonst hergestellt.

Der Film handelt von einer Künstlerin und ihrem männlichen Modell. Zum Schluss erschießt sie ihn. Geschäftstüchtig hat Lehmann seine Premiere organisiert. Er verhandelte mit dem Kino Toni am Antonplatz in Weißensee, lud Presse, Produzenten, Verleihfirmen und alle, die Lust drauf haben, für heute Abend, 21.30 Uhr, ein. Teresa Weißbach, die Schulschöne aus "Sonnenallee" moderiert - eine alte Bekannte. Natürlich gibt es Sekt und ein Buffet, ganz wie auf einer "richtigen Premierenparty". Nur so fürs Gefühl, ein Filmer zu sein. Auch, wenn der Film nur 13 Minuten lang ist.

P.S.: Auch Premiere zeigt "Portrait": heute ab 20.13 Uhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false