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Berlin: Kurzfilmfest im Untergrund

Die Wettbewerbsstreifen sind nur in der U-Bahn zu sehen. Die Fahrgäste sind die Jury

Es ist ein alltägliches Großstadtszenario: Die U-Bahn-Waggons sind überfüllt; trotzdem versucht jeder, möglichst den Blicken der anderen Fahrgäste auszuweichen. Einige lesen Zeitung, andere schauen lieber in die dunkle Leere, während die Züge über die unterirdischen Schienen brettern. Das wollte Fred Kuhaupt, Studioleiter des U-Bahn-Fernsehens „Berliner Fenster“, ändern. „Ich finde es immer wieder schlimm, wie viele Fahrgäste in der Bahn einfach nur stumpfsinnig nach unten starren“, sagt er. Deswegen erfand und organisierte Kuhaupt das internationale Kurzfilmfest „Going Underground“. Jetzt flimmern die Beiträge des Wettbewerbs zum vierten Mal über die Bildschirme der Berliner U-Bahnzüge.

Filme und Untergrund sind für Kuhaupt eine perfekte Verbindung. Denn der 41-Jährige ist nicht nur ein großer Filmfan, sondern auch ein begeisterter U-Bahnfahrer. „Beides entführt einen in fremde Welten“, sagt Kuhaupt. Deswegen kam ihm die Idee zu dem „Going Underground“-Festival schon bald nachdem er im Jahr 1999 damit begonnen hatte, das U-Bahn-Fernsehen „Berliner Fenster“ aufzubauen. Bis dahin hatte der gebürtige Dortmunder viele Jahre lang in Berlin als Aufnahmeleiter bei verschiedenen Kinoproduktionen gearbeitet. Im Jahr 2002 feierte dann „Going Underground“ in Zusammenarbeit mit dem Berliner Kurzfilmfestival „Interfilm“ Premiere.

Im Anfangsjahr wählte Kuhaupt die 14 Wettbewerbsbeiträge aus 110 eingereichten Filmen aus 20 Ländern aus. Mittlerweile ist das Festival bekannter, und viel mehr Filme werden angeboten. Dieses Jahr trafen 452 Filme aus 48 Ländern bei Kuhaupt und seinem vierköpfigen Team ein. Vorgaben gibt es kaum. „Die Werke dürfen nur nicht die Länge von 90 Sekunden überschreiten und sollen ohne Ton, Sex und Gewalt eine richtige Geschichte erzählen“, sagt Kuhaupt. Jetzt konkurrieren bis zum 8. Februar 14 Real- und Animationsfilme über Autodummies, sprechende Einkaufswagen und die US-Außenpolitik miteinander. Filmemacher aus zehn Ländern beteiligen sich am Kurzfilm-Finale. Mit den Streifen will Kuhaupt die Fahrgäste von ihrem Alltag ablenken. „Vielleicht bringen wir die Leute dazu, sich mit Wildfremden über die Filme zu unterhalten oder in der Bahn einfach mal laut zu lachen.“

Die Kurzfilme sind bis zum 8. Februar auf allen U-Bahnlinien zu sehen. So werden täglich zwei verschiedene Beiträge gezeigt, die im Wechsel mit dem normalen Berliner-Fenster-Programm in der Dauerschleife wiederholt werden. „Uns haben aber immer wieder Leute angesprochen, weil sie so nie alle Filme sehen konnten“, sagt Kuhaupt. Deswegen gibt es ab diesem Jahr auch noch die „Underground Hours“. Täglich zu verschiedenen Zeiten alle 14 Wettbewerbsfilme. Hinter einander. Ohne Unterbrechung durch Nachrichten oder Werbung.

Welcher Film der beste ist, bestimmen wieder die Fahrgäste. Als mobile Jury wählen sie im Internet, per Telefon oder Stimmcoupon ihre Favoriten. 2004 beteiligten sich 14 000 Zuschauer. Die drei Gewinner bekommen dann den „Going Underground Award“ und Preisgelder in Gesamthöhe von 6000 Euro. „Viele große Regisseure haben mal mit Kurzfilmen angefangen“, so Kuhaupt. „Es ist aber schwierig, für Kurzfilme ein großes Publikum zu bekommen.“ Sein Festival sieht er daher als Chance für junge Regietalente. „Wo sonst kann ein einziger Kurzfilm täglich bis zu 1, 6 Millionen Zuschauer haben?“

„Going Underground“ auf allen Berliner U-Bahnlinien, bis zum 8. Februar, Stimmabgabe ist per Coupon möglich (im Kulturkaufhaus Dussmann und den Kinos Eiszeit und Central), per Internet (www.berliner-fenster.de) oder telefonisch (Die Nummern werden auf den Monitoren eingeblendet).

Aliki Nassoufis

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