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Berlin: Kuss bleibt Kuss und Schluss Grundschullehrer und Schüler lehnen Rückkehr zur alten Schreibweise ab

Von Hellersdorf bis Charlottenburg die gleichen Antworten: Bei einem Tagesspiegel-Rundruf in etlichen Grundschulen stimmten alle befragten Lehrer darin überein, dass eine Rücknahme der Rechtschreibreform eine unverantwortliche Verunsicherung der Schüler zur Folge hätte. Auch Oberschüler reagieren überwiegend ablehnend auf die Diskussion um eine orthografische Kehrtwende.

Von Hellersdorf bis Charlottenburg die gleichen Antworten: Bei einem Tagesspiegel-Rundruf in etlichen Grundschulen stimmten alle befragten Lehrer darin überein, dass eine Rücknahme der Rechtschreibreform eine unverantwortliche Verunsicherung der Schüler zur Folge hätte. Auch Oberschüler reagieren überwiegend ablehnend auf die Diskussion um eine orthografische Kehrtwende.

Selbst Reformkritiker unter den Lehrern sagen, dass es jetzt zu spät für die Wiedereinführung der alten Schreibung sei. Nach so vielen Jahren dürfe man die Reform „auf keinen Fall zurücknehmen“, empört sich etwa Viola Hartig von der Blankenfelder Platanen-Grundschule. „Das wäre eine Strafe für die Kinder und würde nur Chaos verursachen“, meint auch Elke Woltmann von der Hellersdorfer Bücherwurm-Grundschule.

Sie hat in den vergangenen sechs Jahren die Erfahrung gemacht, dass viele Regeln für die Kinder jetzt leichter nachzuvollziehen seien. Dies betreffe etwa die Kommasetzung. Andere Kollegen sind vor allem darüber erleichtert, dass sie den Kindern nicht mehr erklären müssen, warum man „küssen“ mit „s“, den Kuß aber mit „ß“ schreibt. Joachim Nagel, Leiter der Charlottenburger Mierendorff-Grundschule, lobt, dass die Wort-Trennung jetzt leichter sei – etwa bei der Buchstabenkombination „ck“ (s. Kasten). Und weil es für die Schüler leichter geworden sei, wollten auch die meisten Eltern kein Rollback, sagt eine Treptower Lehrerin. Aber sie wäre wie viele andere Kollegen froh, wenn die Reform nachgebessert würde.

Dies meinen auch viele ältere Schüler. Die meisten sind mit alter und neuer Rechtschreibung aufgewachsen. So zum Beispiel die kommende Abiturientenklasse des Robert-Blum-Gymnasiums in Schöneberg. Bis zur vierten Klasse habe sie nach den alten Regeln geschrieben, und sich dann umstellen müssen, sagt Sarah Fröhlich. Das sei ihr anfänglich sehr schwer gefallen. Jetzt sei ihr vor allem wichtig, dass die Regeln einheitlich sind. Die meisten Oberschüler bevorzugen die neuen Regeln. „Sie haben vieles einfacher gemacht“, sagt Jan Tasci, 19. „Die neuen Komma-Regeln zum Beispiel: Ein eingeschobener Satzteil, ein Komma davor, Komma dahinter – das ist logisch. Man setzt die Pausen, wie man sie spricht.“ Ähnlich sieht es Alexander Bogdanov: „Eine Sprache entwickelt sich. Und daran sollte sich die Schreibung orientieren.“

Und dann gibt es ein paar Oberstufler, die kennen die alten Rechtschreibregeln kaum. Vadim Fetter zum Beispiel. Er kam 1996 aus Russland nach Berlin – in die sechste Klasse. „Ich habe von Anfang an nach den neuen Regeln geschrieben. Die alten kenne ich kaum, es wäre für mich eine Riesenumstellung, sie neu zu lernen.“ Komplizierter würde es für ihn, glaubt er. „Das merke ich immer dann, wenn ich Bücher lese, in denen nach der alten Schreibweise geschrieben wurde.“

Auch wenn sie sich mit der neuen Schreibweise angefreundet zu haben scheinen – so ein paar Details allerdings, die seien dann aber doch gründlich misslungen. „Filosophie zu schreiben, damit kann ich mich nicht abfinden. Das ist richtiger Quatsch, vielleicht könnte man das mit der Zeit ändern“, sagt Jan Tasci. Sein Direktor nickt. Auch nicht selbstverständlich, dass Schüler und Lehrer mit einer Zunge sprechen.

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