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Die Richter des Bundesverfassungsgerichts müssen sich mit dem Länderfinanzausgleich beschäftigen.

© dpa

Länderfinanzausgleich: Bayern und Hessen haben Berlin im Visier

Die Klage Bayerns und Hessens gegen den Länderfinanzausgleich wurde lange angedroht und mehrfach beschlossen. Jetzt, ein halbes Jahr vor den Landtagswahlen in beiden Ländern, ist sie eingereicht worden. Inhaltlich richtet sie sich nicht zuletzt gegen die Hauptstadt.

Die Klage gegen den Länderfinanzausgleich ist unterwegs nach Karlsruhe, die schwarz-gelben Regierungen von Bayern und Hessen haben die gemeinsame Klageschrift am Montag abgeschickt. Andere Länder werden sich nicht anschließen, auch wenn das grün-rot regierte Baden-Württemberg ebenfalls eine Reform des Transfersystems fordert. Es ist freilich weniger der Kampf zweier Länder gegen den Rest, der nun vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen werden soll – die Klage ist vor allem eine Attacke auf die Hauptstadt Berlin.

Ein „Akt der politischen Notwehr“ sei die Klage, sagte der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) in München. Da nur noch drei Länder in den Länderfinanzausgleich einzahlten, fordere man von Karlsruhe „Minderheitenschutz“. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verteidigte die Entscheidung, gegen die erst vor gut zehn Jahren (ebenfalls nach einer Karlsruher Entscheidung) gefundene Lösung nun wieder das Gericht anzurufen. Der Versuch, eine angemessene Regelung zu finden, sei „an der Praxis gescheitert“. Allein Berlin erhalte mehr als 40 Prozent des gesamten Ausgleichsvolumens, rechnete Seehofer vor. 3,3 Milliarden Euro sind das, insgesamt hatte der Länderfinanzausgleich 2012 ein Volumen von 7,9 Milliarden Euro. Hamburg sei trotz der stärksten Steuerkraft aller Länder zum Nehmerland geworden, fuhr Seehofer fort. Das alles sei „grotesk“. Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) ergänzte aus Wiesbaden, ein System, „bei dem immer weniger Zahler immer mehr Empfänger unterstützen“, sei nicht im Sinne eines angemessenen Ausgleichs, wie ihn das Grundgesetz verlange.

Dass vor allem Berlin im Visier der Zahlerländer ist, ergibt sich aus den Eckpunkten der Klage, die auf eine „ausgewogene Neugestaltung“ des Finanzausgleichs zielt. Die Stadtstaatenregelung, nach der die Einwohnerzahl von Berlin, Hamburg und Bremen mit 135 Prozent gewichtet wird, ist demnach nicht verfassungskonform. Diese „Einwohnerveredlung“ sei weder der Höhe nach gerechtfertigt noch mit Blick auf die Unterschiede zwischen den Stadtstaaten in sich schlüssig. Die Reduzierung, die Bayern und Hessen anstreben, würde die Zahlungen verringern. Zudem soll die Hauptstadtfunktion Berlins nicht von den Ländern über den Finanzausgleich mitfinanziert werden, sondern vom Bund allein. Die Forderung, dass künftig auch das haushaltspolitische Verhalten der Länder eine Rolle spielen soll – also neben den Einnahmen (die bisher allein die Basis des Ausgleichs bilden) auch die Ausgaben und die Schulden –, soll jene Länder treffen, die hier im Vergleich ein höheres Niveau haben. Und das trifft für Berlin, trotz der Konsolidierungsleistungen der letzten Jahre, noch immer zu.

Die Steuerkraft Berlins lag 2012 bei 85 Prozent des Länderschnitts, wurde aber – vor allem wegen der Einwohnerwertung – auf 69 Prozent heruntergerechnet. Am Ende des dreistufigen Ausgleichs (also Umsatzsteuerverteilung, Länderfinanzausgleich und Bundeszuweisungen) lag die Hauptstadt dann bei 97,5 Prozent. Insgesamt flossen etwa 4,6 Milliarden Euro nach Berlin – das war ein Fünftel der Gesamteinnahmen im Landesetat.

Sowohl in Bayern als auch in Hessen sind im September Landtagswahlen. Kritiker der Klage sehen das Vorgehen der Landesregierungen daher als Wahlkampfgetöse. Im Berliner Senat hält man wenig vom Gang nach Karlsruhe.

Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) sagte dem Tagesspiegel: "Der Länderfinanzausgleich beruht auf einem Bundesgesetz, dem auch Bayern und Hessen zugestimmt haben. Dieses Gesetz gilt bis 2019. Bis dahin müssen sich die Länder über eine Neuregelung verständigen - politisch, nicht vor Gericht." Kritisch sieht er vor allem das Verhalten seines Münchener Kollegen Söder. Würde dieser "öfter zur Finanzministerkonferenz kommen, könnten wir uns darüber auch miteinander konstruktiv austauschen", sagte Nußbaum. Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) ging am Montag gleich zur Gegenoffensive über und stellte ein Zehnpunktepapier vor. Die Einwohnerwertung von 135 Prozent wird darin nicht nur verteidigt, sondern auch als zu gering bezeichnet. Sie bilde den tatsächlichen Bedarf nicht ab.

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