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Gut gebrüllt, Löwe. Wenn schon nicht den Zapfhahn, so will Bayern den Berlinern doch den Geldhahn zudrehen.

© Johannes Eisele/ddp

Länderfinanzausgleich: Berlin braucht Bayern

Ohne Gelder aus dem Länderfinanzausgleich ginge nichts mehr in Berlin. Doch nun klagt Bayern gegen die Transferzahlungen. Und dann ist da noch der Tropf des Bundes.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wenn Bayern nicht mehr zahlt, kann Berlin den Laden dichtmachen. Auf diesen einfachen Nenner lässt sich der Streit um den Länderfinanzausgleich bringen, der in eine Klage des Freistaats vor dem Bundesverfassungsgericht und bis 2020 in eine Reform des bundesstaatlichen Finanzsystems münden wird. Letztes Jahr erhielt das Land Berlin 3,04 Milliarden Euro aus dem Länderfinanzausgleich und ist damit das mit Abstand größte Nehmerland. Bayern zahlte als weitaus größtes Geberland 3,7 Milliarden Euro in das System ein.

Dabei handelt es sich nicht um Almosen für eine verschwenderische Metropole. Der föderale Finanzausgleich, von dem Berlin stark profitiert, dient der „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“. So steht es im Grundgesetz. Um das zu erreichen, muss die „unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen“ werden. Das Wohlstandsgefälle in Deutschland soll nicht so groß werden, dass die soziale, ökonomische und politische Einheit des Staates gefährdet wäre.

Übrigens war auch Bayern bis 1987 ein wirtschaftlich rückständiges Nehmerland. Heute strotzt es vor Kraft. Die Finanzkraft Bayerns, gemessen am Steueraufkommen je Einwohner, beträgt 128 Prozent des Bundesdurchschnitts. Die Finanzkraft Berlins liegt nur bei 85,5 Prozent. Die Jahrzehnte der Teilung haben dazu maßgeblich beigetragen. Erst 1995 wurde Berlin gemeinsam mit den ostdeutschen Ländern in den föderalen Finanzausgleich integriert.

Das mehrstufige System funktioniert so: Zunächst wird das gesamte Steueraufkommen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt, anschließend führt eine gesonderte Verteilung der Umsatzsteuer zu einem ersten, behutsamen finanziellen Ausgleich. Danach nivelliert der Länderfinanzausgleich die unterschiedliche Finanzkraft der wohlhabenden und wirtschaftlich schwachen Länder. Die besonders leistungsschwachen Länder kommen zusätzlich in den Genuss von Ergänzungszuweisungen des Bundes.

So wurde 2011 die eigentliche Finanzkraft Berlins von 85,5 Prozent des Bundesdurchnitts durch den Finanzausgleich auf 90,7 Prozent und durch die allgemeine Bundesergänzungszuweisung auf 97,5 Prozent angehoben. Die Finanzkraft Bayerns verringerte sich in diesem Prozess von 127,9 auf 105,2 Prozent. Die Unterschiede werden also nicht vollständig glattgehobelt. Im Ergebnis leisteten Bayern, Hessen und Baden-Württemberg 7,3 Milliarden Euro an Ausgleichszahlungen. Hamburg trug 2011 als viertes Geberland einen symbolischen Beitrag von 62 Millionen Euro bei. Die übrigen zwölf Länder sind Zahlungsempfänger, mit dem einsamen Spitzenreiter Berlin.

Der bundesweite Streit um viele Milliarden Euro

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Es sprudeln noch weitere Quellen, um dem finanziell schwachbrüstigen Berlin auf die Beine zu helfen. Dazu gehört die Bundesergänzungszuweisung „zur Deckung von teilungsbedingten Sonderlasten“ (Solidarpakt), in deren Genuss alle ostdeutschen Länder kommen. Im vergangenen Jahr flossen daraus noch 1,5 Milliarden Euro in die Landeskasse. Allerdings läuft dieses Programm bis 2020 schrittweise aus und wird in der anstehenden Reformdebatte zum bundesstaatlichen Finanzausgleich keine Rolle mehr spielen.

Eine weitere Besonderheit ist die sogenannte Stadtstaatenwertung, die nicht nur Berlin, sondern auch Hamburg und Bremen hilft. Denn es wird zu Recht davon ausgegangen, dass die Stadtstaaten viel mehr Geld für die urbane Infrastruktur und Mitversorgung des Umlands brauchen als die Flächenländer. Also wird bei der Berechnung des Länderfinanzausgleichs die Einwohnerzahl der Stadtstaaten um 35 Prozent erhöht. Das Bundesverfassungsgericht findet dies plausibel, aber die Höhe der Einwohnerwertung ist möglicherweise angreifbar. Allein für Berlin stehen da viele hundert Millionen Euro jährlich auf dem Spiel.

Eine weitere Einnahmequelle, die seit 2011 von Bund und Ländern finanziert wird, aber nicht zum klassischen Finanzausgleich gehört, steht Berlin und drei anderen Ländern bis 2020 zur Verfügung: Eine Konsolidierungshilfe von jährlich 80 Millionen Euro, die helfen soll, die Vorgaben der Schuldenbremse im Grundgesetz einzuhalten. Geknüpft an ein Sanierungsprogramm für Berlin, das der Stabilitätsrat von Bund und Ländern als „geeignete Grundlage für das Überwinden einer drohenden Haushaltsnotlage und das Erreichen eines ausgeglichenen Haushalts bereits vor 2020“ akzeptierte.

Im bundesweiten Streit um viele Milliarden Euro, die zwischen Bund und Ländern umverteilt werden, dürfte das wohl auch der Knackpunkt werden. Die seit 1969 geltende Finanzverfassung Deutschlands, die nach der Vereinigung knarrte und ächzte, aber lebensfähig blieb, muss so reformiert werden, dass die Schuldenbremse funktioniert. Bund und Länder, Städte und Gemeinden müssen in die Lage versetzt werden, dauerhaft ohne neue Schulden auszukommen. Es ist also kein Zufall, dass im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich auch über Schuldenberge diskutiert wird, die wegen der hohen Zinsbelastung eine Haushaltskonsolidierung erschweren. Auch hier der direkte Vergleich: In Berlin lag die Verschuldung je Einwohner 2011 bei 17 700 Euro, in Bayern bei 3600 Euro. Forderungen nach einem Abbau der Altschulden in besonders belasteten Ländern verhallten bisher aber ungehört. Das ist schade, denn schon bei einer Halbierung seines Schuldenbergs, derzeit 63 Milliarden Euro, könnte Berlin auf eine Milliarde Euro aus dem Finanzausgleich locker verzichten, weil es weniger Zinsen zahlen müsste. Das nützte auch dem Alpenvorland.

Andere Vorschläge, Berlin aus der Patsche zu helfen, dürften weniger zielführend sein. Dazu gehört eine Fusion der Stadtstaaten mit ihrem Umland, doch Berlin und Brandenburg wären gemeinsam noch kein wohlhabendes Bundesland. Und die Forderung, Berlin als „Hauptstadtdistrikt“ aus dem föderalen Finanzsystem herauszulösen, bedürfte einer Grundgesetzänderung und beantwortet nicht die Frage, wer die Bundeshauptstadt anschließend auskömmlich finanziert. Denn nach der Reform des Finanzausgleichs 2020 wird auch ein wirtschaftlich prosperierendes Berlin vorerst auf Ausgleichszahlungen von schätzungsweise 3,5 Milliarden Euro jährlich angewiesen bleiben.

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