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Ein Gläschen in Ehren wird andere stören. Der Rheingauer Weinbrunnen dauert daher nicht mehr so lang.

© Thilo Rückeis

Lärmbelästigung und Ruhestörung in Berlin: Anwohner klagen gegen Krach - Weinfest auf der Kippe

Ob Kinder, Sportler oder die Liebhaber des Weinfestes: Anwohner wehren sich zunehmend gegen den Lärm des Sommers.

Von Fatina Keilani

Damit der „Rheingauer Weinbrunnen“ nicht an seinem eigenen Erfolg zugrunde geht, findet er dieses Jahr um 31 Tage verkürzt statt: Vom 20. Mai bis zum 4. September schenken wieder Winzer aus dem Rheingau Wein und Sekt auf dem Rüdesheimer Platz aus. Wenn nicht - ein Restrisiko besteht – das Verwaltungsgericht dem Ganzen einen Korken aufsetzt.

Am kommenden Mittwoch wird dort die Klage eines Anwohners verhandelt, der das Fest verhindern will. Genau genommen wollte er das Fest 2014 verhindern. Sein Eilantrag war damals abgewiesen worden, nun folgt das Hauptsacheverfahren. Bekommt der Kläger Recht, so könnte dies das Aus auch für zukünftige Feste bedeuten. Der Bezirk rechnet damit aber nicht.

„Eigentlich müssten wir obsiegen“, meint jedenfalls der zuständige Stadtrat Marc Schulte (SPD). „Wir haben die kritischen Punkte überprüft und Veränderungen vorgenommen. Dennoch warten wir jetzt erst einmal das Urteil ab.“ Zu den Veränderungen gehört, dass das Fest jetzt nicht mehr als „Veranstaltung“ ähnlich einem Straßenfest eingestuft wird, sondern als gastronomischer Betrieb. Denn die Veranstaltung dauert nicht nur wenige Tage, sondern fast vier Monate.

Das Weinfest hat Tradition im Viertel. Der Landkreis Rheingau-Taunus übernahm im Jahr 1972 eine Patenschaft für den Bezirk Wilmersdorf, seit 1991 besteht eine Partnerschaft. Auf der westlichen Anhöhe des Platzes schenken Rheingauer Winzer seit 1967 im Sommer Wein aus. Allerdings ist das Fest stark gewachsen. Anfänglich dauerte der „Rheingauer Weinbrunnen“ zwei Wochen, im Jahr 2014 fand er vom 9. Mai bis zum 22. September statt, lief also fast 20 Wochen. Tische und Stühle bieten 350 Sitzplätze und bedecken 462 Quadratmeter Fläche. Beschwerden von Anwohnern über den Lärm hat es immer wieder gegeben - bisher hat das Fest überlebt.

Mit der Verkürzung will der Bezirk den Anwohnern entgegenkommen. „Es ist ein Zeichen, und kein geringes“, heißt es aus dem Grünflächenamt, das bisher die Genehmigungen erteilte, da es sich bei dem Platz um eine geschützte Grünanlage handelt. Die Verkürzung zeige das Bemühen des Bezirks, die Anwohnerinteressen zu berücksichtigen.

Die Rasenmäherlärmverordnung ist abgeschafft

Das Thema Lärm tritt in vielen Facetten auf; auch das Verwaltungsgericht hat ständig damit zu tun. Lärm ist Thema im Baurecht, etwa wenn sich Anlieger gegen den Bau einer Tiefgarageneinfahrt zu einem Einkaufszentrum wenden, und im Verkehrsrecht, wenn ein Anwohner wie im Januar Tempo 30 auf einer Bundesstraße erstreitet. Das Tempo 80 auf der Stadtautobahn dient dem Lärmschutz ebenso wie die gaststättenrechtliche Regelung, draußen nach 22 Uhr Ruhe zu halten. Auch das Weinfest muss um 21.30 Uhr die letzten Bestellungen annehmen und um 22 Uhr geräumt sein. Am Thema Lärm ist auch schon die Vermietung von Ferienwohnungen gescheitert. Die durch die An- und Abreisenden verursachten Geräusche verstoßen gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot. Und selbst Kulturerlebnisse schränkt der Lärmschutz ein - in der Zitadelle Spandau wird um 22 Uhr der Stecker gezogen, seit eine Anwohnerin erfolgreich klagte.

Nur der Lärm, der von Kindern ausgeht, ist rechtlich keiner. Er unterliegt dem Toleranzgebot, das im Bundesimmissionsschutzgesetz festgelegt ist.

Der Lärmschutz ist in vielen Gesetzen geregelt, in Berlin vor allem im Landesimmissionsschutz-Gesetz, aber auch im Ordnungswidrigkeitengesetz, in der Straßenverkehrsordnung oder in der Sportanlagenlärmschutzverordnung.

Die Regel ist: Zwischen 22 Uhr und 6 Uhr muss Ruhe herrschen, an Sonn- und Feiertagen ganztags. Ausnahmen gibt es, etwa für kirchliches Glockenläuten und Winterdienst. Laut Radio hören ist immer verboten. Hinweis an die Jugend: Unnützes Hin- und Herfahren mit Autos ist verboten, Motoraufheulenlassen und Türen mit Wumms zuknallen ebenfalls. Abgeschafft ist die Rasenmäherlärmverordnung. Rasenmähen ist sonntags trotzdem verboten – geregelt ist das jetzt in der 32. Bundesimmissionsschutzverordnung.

Ein Plädoyer für Toleranz bei Lärm in der Stadt finden Sie hier: Legalisiert den Lärm!

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