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Lärmschutz für BER-Anwohner: Schallschutz kostet weitere 500 Millionen

Der neue Hauptstadtflughafen BER wird allein beim Schallschutz um mehr als eine halbe Milliarde Euro teurer - doppelt so viel wie bislang bekannt. Ob der neue Termin zu halten ist, wird Dienstag klar.

Nach Tagesspiegel-Recherchen muss der 157-Millionen-Etat für Lärmschutzmaßnahmen um den BER voraussichtlich um mindestens 500 bis 600 Millionen Euro aufgestockt werden, doppelt so viel wie bislang bekannt. Das ist die Konsequenz aus dem bislang unveröffentlichten Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg (OVG) vom 15. Juni, das dem Tagesspiegel vorliegt und rechtskräftig ist. „Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.“

Nach dem Urteil hat die den Ländern Berlin, Brandenburg und dem Bund gehörende Flughafengesellschaft (FBB) gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Flughafen „systematisch“ verstoßen, indem sie zu gering dimensionierte Schallschutzmaßnahmen bewilligte. Das Programm, bei dem 14 000 Bescheide erteilt und 2000 Wohnungen zu billig isoliert wurden, muss jetzt wiederholt werden.

So demonstrierten die BER-Gegner vor dem Roten Rathaus:

Über Konsequenzen wird der Aufsichtsrat – Chef ist Klaus Wowereit, Vize Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (beide SPD) – an diesem Freitag beraten. Wie berichtet, hat der Flughafen im sogenannten Tagschutzgebiet die Lärmschutzanlagen so berechnet, dass wie in der Nacht der Spitzenpegel von 55 Dezibel sechs Mal überschritten, also Gespräche durch Fluglärm unterbrochen werden können. Dabei hatte Brandenburgs Verkehrsministerium seit 2011 darauf hingewiesen, dass maximal eine tägliche Überschreitung (1 x 55) zulässig sei, was es aber auch nicht durchsetzte. Schon dafür bezifferte der Flughafen, der stattdessen den Planfeststellungsbeschluss auf das 6-x-55-Niveau ändern und seine Praxis nachträglich legalisieren wollte, die Kosten auf 257 bis 297 Millionen Euro. Nun stellt das OVG klar, dass in Wohnungen bei geschlossenen Fenstern „keine“ höheren Maximalpegel als 55 dB durch Flugzeuge auftreten dürfen. Diese Vorgabe des Bundesverwaltungsgerichtes lasse „keinen Raum“ für Deutungen zu. Dieser Standard, hieß es am Sonntag übereinstimmend aus hochrangigen Flughafen- und Regierungskreisen, verteuert den Lärmschutz auf 500 bis 600 Millionen Euro.

Der Aufsichtsrat habe "nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt" heißt es aus dem Roten Rathaus.

Zur Aufsichtsratssitzung am Freitag muss Flughafenchef Rainer Schwarz auch erste valide Zahlen auf den Tisch legen, welche Mehrkosten bei dem bereits auf drei Milliarden Euro verteuerten Projekt durch die Startverschiebung auf den 17. März 2013 hinzukommen. Der Berliner Senatssprecher Richard Meng sagte am Sonntag, man werde „skeptisch und kritisch“ sehen, ob die Zahlen „nachvollziehbar“ seien. Ob der neue Eröffnungstermin überhaupt zu halten ist, wird am Dienstag klarer sein. Dann wollen die am Bau beteiligten Industriefirmen wie Siemens, Bosch und Imtech mitteilen, ob das System bis zum 17. März auf Grundlage der von der FBB nach dem Rauswurf des bisherigen Chefplaners überarbeiteten Planungsunterlagen funktionieren kann.

Viel diskutiert wurde unter Landespolitikern am Sonntag die Tagesspiegel-Veröffentlichung längerer Passagen aus den geheimen Akten des BER-Aufsichtsrates. „Die Unterlagen zeigen ein kollektives Augenverschließen“, sagte die Berliner Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop. Der Aufsichtsrat unter Wowereit habe trotz Warnungen auf Probleme nach dem Motto agiert: „Das muss einfach klappen.“ Wowereits Sprecher wies die Kritik zurück. Der Aufsichtsrat habe „nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“, die aktuellen Defizite seien „für den Aufsichtsrat nicht erkennbar gewesen“.

Die Grünen wollen an diesem Montag in der Senatskanzlei die vertraulichen, aber der Opposition zugänglichen Aufsichtsratsunterlagen nach Erklärungen zu den steigenden Kosten absuchen und sich so auch auf den ab Herbst geplanten Untersuchungsausschuss vorbereiten.

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