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Berlin: Landesdelegiertenkonferenz: "Keine Aussagen für die Ewigkeit"

Seltsam ruhig und ohne harten Schlagabtausch verlief am Sonnabend auf der Landesdelegiertenkonferenz die Aussprache über eine Vorlage, die zu anderen Zeiten heftige Diskussionen und Flügelkämpfe ausgelöst hätte: die Resolution über den politischen Neuanfang, die 150 Delegierte mit nur fünf Gegenstimmen verabschiedet hatten. Damit bieten die Grünen der SPD und der PDS offiziell Gespräche über eine Regierungsbildung an.

Von Sabine Beikler

Seltsam ruhig und ohne harten Schlagabtausch verlief am Sonnabend auf der Landesdelegiertenkonferenz die Aussprache über eine Vorlage, die zu anderen Zeiten heftige Diskussionen und Flügelkämpfe ausgelöst hätte: die Resolution über den politischen Neuanfang, die 150 Delegierte mit nur fünf Gegenstimmen verabschiedet hatten. Damit bieten die Grünen der SPD und der PDS offiziell Gespräche über eine Regierungsbildung an. Die Resonanz darauf ist bei beiden Parteien sehr verhalten. Der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder sagte, man sei jederzeit bereit, mit den Grünen zu reden, "nur nicht über die Koalitionsfrage". Es sei jetzt keine Zeit für "parteitaktische Spielchen". Die Spendenaffäre der CDU müsse erst einmal aufgeklärt werden.

Auch in der PDS sind keine Begeisterungsstürme ausgebrochen. Nach Ansicht von PDS-Chefin Petra Pau wird nur von politischen Konstellationen, aber nicht inhaltlich gesprochen. "Wir wollen keine politischen Abenteuer", sagte die Landesvorsitzende. Für eine Ablösung der Großen Koalition sehe sie zurzeit keine Möglichkeiten. "Das ist doch nicht im Interesse der SPD."

Der stellvertretende Landesvorsitzende Stefan Liebig sagte, das Gesprächsangebot sei zwar "grundsätzlich zu begrüßen", gewundert habe er sich aber schon darüber, wie die Grünen "kühn vorgeprescht sind". Es gebe zwischen SPD, Grünen und der PDS viele Gemeinsamkeiten, aber noch kein "festes Reformprogramm". Das Gesprächsangebot der Grünen sei im Übrigen auch nicht neu. Man habe schon vor den letzten Wahlen miteinander gesprochen.

Der stellvertretende Landesvorsitzende Liebig hat den Eindruck, dass die Grünen mit der Resolution schon ein bisschen "zurückgerudert" seien: "Anfang letzter Woche dachte jeder, jetzt wird die Regierung von den Grünen gestürzt, seit Samstag heißt es: erst einmal darüber sprechen."

War es ein unüberlegter Schnellschuss, oder warum haben Landes- und Fraktionsvorstand der Grünen vergangenen Dienstag die Vorlage für diese Resolution verabschiedet? Immerhin: Noch im Wahlprogramm von 1999 lehnen die Grünen eine Regierungsbildung mit der PDS ab. Ein erklärter Gegner einer Koalition mit den Sozialisten war auch Fraktionschef Wolfgang Wieland. Am vergangenen Sonnabend sprach er sich vor den Delegierten klar, aber zögerlich für die Resolution aus. Woher kommt der Meinungsumschwung? Die Grünen hätten 1995 und 1999 schon sehr wohl die klaren Aussagen über die PDS gemacht, aber "es waren keine Aussagen für die Ewigkeit". Die Grünen warfen der PDS damals vor, im kritischen Umgang mit ihrer Geschichte zu stagnieren. Und heute? Auch in der PDS würden Generationen nachwachsen, die für eine "unbelastete Politik" stehen, so Wieland. Letzte Zweifel seien zwar sicher nicht ganz ausgeräumt. Auch die Grünen aber könnten sich der Tatsache nicht verschließen, dass die PDS ein überragendes Wählerpotenzial im Ostteil der Stadt hat. "Eine Regierungskoalition ist nur gemeinsam mit der PDS realistisch."

Grünen-Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz forderte die PDS auf, "sich aus ihrer bequemen Deckung herauszubegeben" und sich der Frage zu stellen, wie man einen politischen Neuanfang vorbereiten könne. Angesichts der aktuellen Landespolitik sei den Grünen aber völlig klar geworden: "Ein schwarz-grünes Regierungsgebilde wird es nicht geben." Und wie halten es die Grünen mit der SPD? Leicht werde eine Koalition mit den Sozialdemokraten auch nicht, "auch wenn Rot-Grün unsere Lieblingslösung ist." Die baupolitische Sprecherin Barbara Oesterheld sagte auf der Landesdelegiertenkonferenz am Sonnabend, auch die SPD habe Seilschaften, die sie jahrelang aufgebaut habe. "Jetzt muss auch die SPD Farbe bekennen, ob sie diese Leute über die Klinge springen lassen." Die Sozialdemokraten seien "sicher keine Engel", sagte Landesvorstandssprecherin Regina Michalik. Es sei jetzt der richtige Zeitpunkt, die Machtfrage zu stellen. Michalik forderte die SPD auf, sich zu bewegen. Es reiche nicht aus, nur einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die CDU-Spendenaffäre zu unterstützen. Nur aus Rücksicht zum Koalitionspartner CDU gehe die SPD den vorsichtigen Weg, ohne konkrete politische Forderungen zu stellen.

Der neu gewählte Grünen-Landesvorstand wird am kommenden Wochenende zur Klausurtagung zusammentreffen. Dabei wird die Parteispitze auch einen Fahrplan verabschieden: Welche Partei zu welchem Zeitpunkt auf wen zugehen soll - ungeachtet dessen, ob Koalitionsgespräche dann tatsächlich stattfinden werden.

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