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Abstimmung zum EU-Vertrag: Rot-Rot in der Krise

Berlin hat als einziges Bundesland dem EU-Reformvertrag im Bundesrat die Zustimmung verweigert. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit beugt sich damit dem Druck der Linken - die FDP fordert jetzt sogar seinen Rücktritt.

Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) votierte am Freitag in der Länderkammer mit Enthaltung. Damit beugte sich die SPD der Linken, die das Reformwerk als unsozial und militaristisch ablehnt. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bedauerte, dass die seit 2002 bestehende, bundesweit einzige rot-rote Koalition erstmals keinen Konsens erzielen konnte. Nach seiner Einschätzung steckt das Bündnis in einer "Krise". Die Linke widersprach dieser Auffassung. Scharfe Kritik an der Entscheidung kam von der Opposition.

Wowereit hatte die Enthaltung bereits vor Beginn der Sitzung angekündigt. Es gehe bei der Entscheidung "nicht um Niederlage oder Sieg, sondern um Vernunft", sagte er. Es gebe nach wie vor einen Dissens. Die SPD sei für den Vertrag, die Linke dagegen. Letztere pochte auf Einhaltung des Koalitionsvertrags, der bei Differenzen die Enthaltung vorsieht.

"Linke nicht handlungsfähig"

"Ich habe feststellen müssen, dass die Linke in Berlin nicht handlungsfähig ist", sagte Wowereit. Sie stehe unter dem Einfluss ihres Bundesvorsitzenden Oskar Lafontaine. Er werde aufmerksam beobachten, ob sie sich ihre Direktiven auch in Zukunft von Lafontaine geben lasse. Wenn das der Fall sein sollte, werde die weitere Zusammenarbeit "schwierig".

Linke-Landeschef Klaus Lederer betonte hingegen, mit dem Einhalten des Koalitionsvertrags sei eine Krise abgewendet worden. Zum Vorwurf, wonach Lafontaine den Landesverband steuere, sagte er: "Das sind Mythen, für die es keinen Beleg gibt." Die Berliner Linke sei "souverän genug, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen".

Mit Blick auf die Bundesebene stellte Wowereit fest, dass die Linke in europapolitischen Fragen "nicht regierungsfähig" sei. Die Spitze um Lafontaine habe sich damit dafür entschieden, "immer in der Opposition zu bleiben". Bisher hatte Wowereit Rot-Rot auf Bundesebene nur für 2009 ausgeschlossen. Dagegen glaubt er nicht, dass die Entscheidung die SPD in anderen Bundesländern von der Bildung einer Koalition mit der Linken abhält.

Wowereit wollte die Linke umstimmen

Nach eigenen Angaben hat sich Wowereit nur deshalb zur Enthaltung entschlossen, weil es für die Ratifizierung des Vertrags nicht auf die Stimme Berlins angekommen sei. Andernfalls hätte er "mit allen Konsequenzen" die Verantwortung übernommen. In seiner eigenen Partei sieht er sich nicht geschwächt. In der Fraktion habe - wenn überhaupt - die Sorge bestanden, dass er sich gegen die Enthaltung entscheide und die Koalition aufs Spiel setze.

Wowereit hatte bis zuletzt versucht, die Linke umzustimmen. Er habe dabei gemerkt, in welcher "Notlage" der Partner sei. Es sei "fast Verzweiflung" zu spüren gewesen. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke), der im Bundesrat ebenfalls anwesend war, wusste bis zum Schluss nicht, wie Wowereit entscheidet.

Pflüger sieht schweren Image-Schaden für Berlin

Nach Ansicht von CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger ist durch die Enthaltung "schwerer Schaden" für das Image Berlins entstanden. Der Regierende Bürgermeister habe "Parteiräson vor Staatsräson gestellt" und könne mit dieser Koalition nicht weiterregieren. FDP-Fraktionschef Martin Lindner forderte den Rücktritt Wowereits. FDP-Chef Markus Löning betonte, mit dieser Entscheidung habe Wowereit einen "Schlussstrich unter seine bundespolitischen Ambitionen" gezogen. Die Grünen-Fraktion verlangte von Wowereit im Parlament eine Regierungserklärung zur Abstimmung.

Dagegen rechtfertigte SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller die Entscheidung als "bundesweit üblich", sofern sich beide Partner nicht einigen können. Wer jetzt von "Einknicken" schwadroniere, offenbare "Unkenntnis und Heuchelei".

Christina Schultze, Karoline von Graevenitz[ddp]

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