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© Mike Wolff

Berliner CDU: Südwest für Jamaika

CDU-Regionalkonferenz in Steglitz-Zehlendorf diskutierte über Optionen für die Zukunft. Und in der ersten Reihe saß Friedbert Pflüger, der geschasste Fraktionschef.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Friedbert Pflüger durfte den Antrag formulieren – und alle stimmten zu: „Die CDU ist offen für eine Jamaika-Konstellation nach der Abgeordnetenhauswahl 2011“. Vor diesem Beschluss hatten die Christdemokraten in Steglitz-Zehlendorf zwei Stunden über das Thema diskutiert, auf der letzten Regionalkonferenz vor der Neuwahl der Berliner CDU-Führungsspitze am nächsten Dienstag. Etwa 300 Parteimitglieder waren am Freitagabend ins Hotel „Steglitz International“ gekommen, erkennbar auf der Suche nach einer neuen Orientierung.

Für Michael Braun, den CDU-Kreischef im Südwesten Berlins, ist die Zusammenarbeit mit den Grünen längst kein Problem mehr. Seit 2006 gibt es im Rathaus des Bezirks eine funktionierende schwarz-grüne Mehrheit. „Das sind alles bürgerliche und wertkonservative Kräfte, die für Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung stehen.“ Braun schreckt es auch nicht, dass die politische Schnittmenge zwischen den Jamaika-Parteien für eine gemeinsame Landesregierung zu klein sein könnte. Dann müsse man sich eben auf wesentliche Essentials einigen, „und da, wo es Divergenzen gibt, auch mal mit wechselnden Mehrheiten abstimmen“. Das stärke nebenbei den Parlamentarismus.

Diese Idee wurde auf der Regionalkonferenz nicht weiter vertieft. Manche Diskutanten verstanden Jamaika eher als Übergangslösung, „bis die CDU wieder eine richtige Mehrheit hat“. Andere gruselten sich vor der Vorstellung, gemeinsam mit Christian Ströbele in einer Regierung zu sitzen und es kam die Frage auf: Was ist eigentlich mit der FDP? Stehe die nicht völlig konträr zu den Grünen? Den Zweiflern hielt der frühere Staatssekretär und Wahlkampfmanager Karl-Joachim Kierey taktische Argumente entgegen: „Wir sollten das Spiel weiter spielen, weil es uns interessanter macht“. Es sei doch zweifellos das Schlimmste für eine Partei, ohne ernsthafte Regierungsoption in den Wahlkampf zu gehen, so wie die Berliner CDU im Herbst 2006.

Der abgewählte CDU-Fraktionschef Pflüger, der in der ersten Reihe saß, war derselben Meinung. Es sei unendlich wichtig für diese Stadt, dass es bald wieder eine Option „jenseits von Wowereit“ gebe. Die Seele der Partei streichelte aber jemand anders, nämlich der Parlamentsvizechef Uwe Lehmann-Brauns. Jamaika, das sei vielschichtig, kompliziert und noch nicht aktuell. Eine Möglichkeit für die Zukunft, „aber wir wollen nicht die Werte der CDU verhökern“.

Lehmann-Brauns fand viel Beifall. Andere fragten: „Erkennen uns unsere Wähler überhaupt noch?“ Ein Diskutant fürchtete, dass das Kernthema der Union, die innere Sicherheit, aus dem Blick geraten könnte. Ein „klares Profil“ wurde gefordert und eine Politik, die der „kleine Mann versteht“. Die CDU müsse wieder glaubwürdig und authenthisch werden. Ein Vertreter des Arbeitnehmerflügels wollte das „Christlich-Soziale“ stärken. Und auch das kam zur Sprache: Die CDU müsse in einer bunten Dreierkonstellation in jedem Fall stärkste Fraktion sein und den Regierenden Bürgermeister stellen.

Der designierte CDU-Landesvorsitzende Frank Henkel ging nach der letzten Regionalkonferenz „guter Dinge“ in die Vorstandswahl am Dienstag. „Ich sehe eine breite Unterstützung für meinen Kurs“, sagte er dem Tagesspiegel. In der Union zweifelt niemand mehr daran, dass Henkel und seine Stellvertreterin Monika Grütters vom Kleinen Parteitag mit breiter Mehrheit an die Spitze des Landesverbands gewählt werden. Henkel plädiert nun dafür, dass Instrument der Regionalkonferenz für die Erörterung fachlicher Fragen beizubehalten. „Es gibt eine tiefe Sehnsucht der Parteibasis nach Austausch, Diskussion und Beteiligung“.

Am Freitag wird der CDU-Landesvorstand unter Henkels Führung Listenvorschläge für die Bundestags- und Europawahl präsentieren, über die einen Tag später die Landesvertreterversammlung abstimmt. Ob die Parteispitze Pflüger oder den amtierenden CDU-Landeschef Joachim Zeller für Europa nominiert, ist offen. Die CDU Friedrichshain-Kreuzberg kürte derweil die DDR-Bürgerrechtlerin und frühere Grünen-Politikerin Vera Lengsfeld mit 94 Prozent der Stimmen als Wahlkreiskandidatin für den Bundestag. Ulrich Zawatka-Gerlach

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