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Berliner Linke: Hoffen auf die grüne Entzauberung

Die Linke setzt nach dem Dämpfer vom Wochenende auf Sacharbeit - und will es sich mit der SPD nicht verderben. Die schlechten Ergebnisse der westlichen Parteifreunde seien nur „nur begrenzt auf Berlin übertragbar“, sagt der Linken-Spitzenkandidat Harald Wolf.

Das nennt man dann wohl Dialektik: „Mit dem neuen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg haben wir einen weiteren Verbündeten“, sagt Wolfgang Albers, stellvertretender Landesvorsitzender der Berliner Linke. Sein Kalkül: Wenn die Grünen im Südwesten nun nach ihrem Wahlerfolg zum ersten Mal einen Ministerpräsidenten stellen, können sie nicht mehr als Projektionsfläche für die unterschiedlichsten Wählererwartungen fungieren. „Dann müssen sie zeigen, wie sie in der Regierung arbeiten und können nicht nur Sprüche klopfen wie in der Opposition“, sagt Albers. Er hofft, dass das den aktuellen Höhenflug der Grünen beendet, bevor die Berliner am 18. September das neue Abgeordnetenhaus wählen.

Ganz so dialektisch-optimistisch sehen andere Linke die Situation derzeit allerdings nicht. „Es gibt uns nicht gerade Rückenwind“, sagt der Landesvorsitzende der Partei, Klaus Lederer, über die beiden Landtagswahlen vom Sonntag, bei denen seine westdeutschen Parteifreunde gleich zweimal den Einzug in die Landtage verfehlten. Ein Gefühl, dass auch an der Basis verbreitet ist, vor allem in den westlichen Bezirken, in denen die Linke es nach wie vor ähnlich schwer hat wie in den westdeutschen Bundesländern: „Die Situation ist für uns nicht einfacher geworden“, sagt Walter Mayer, Bezirksvorsitzender der Linken in Charlottenburg-Wilmersdorf. Zwar sei die Westausdehnung der nach wie vor nur im Osten starken Linken nicht gebremst. „Es ist aber schwieriger geworden.“ Nun müsse sich seine Partei auch in Berlin fragen, „ob wir unser Profil deutlich genug gemacht haben, auch bezüglich der inhaltlichen Abgrenzung von möglichen Bündnispartnern“, wie Mayer mit Bezug auf die SPD sagt. „Es ist bedauerlich, dass es uns nicht gelungen ist, die Bedeutung der sozialen Frage in den Mittelpunkt zu stellen.“ Die Linke müsse stärker „Menschen unterstützen, die sozial ausgegrenzt werden und uns noch deutlicher auf unsere soziale Kernkompetenz konzentrieren“. Und man müsse noch klarer das politische Profil gegenüber der SPD schärfen „und zum Beispiel zeigen, wie sie den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor austrocknet, auch wenn sie für sich reklamiert, soziale Politik zu machen“.

Vielleicht ist es das, was Linken-Spitzenkandidat Harald Wolf meinte, als er am Sonntagabend kurz nach Bekanntwerden der ersten Ergebnisse aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sagte: „Wir müssen uns fragen, ob wir uns neu positionieren müssen“ – wenngleich er das eher auf die Bundespolitik als auf Berlin bezogen wissen wollte.

Parteichef Lederer zumindest fände es verkehrt, jetzt nach den Wahlen im Westen grundlegende Kurskorrekturen auch in Berlin vorzunehmen, zumal am Tag eins nach Verabschiedung des Wahlprogramms „Das soziale Berlin“ am Sonntag. „Wir müssen jetzt fleißig arbeiten und lassen uns nicht beeinträchtigen“, sagte er am Montag. Die schlechten Ergebnisse der westlichen Parteifreunde seien schon deswegen „nur begrenzt auf Berlin übertragbar“, weil die Linke hier seit zehn Jahren an der Regierung ist und sich inhaltlich ganz anders profiliert habe. Und ein Versuch, jetzt den derzeit so erfolgreichen Grünen in Sachen Profil nachzueifern und sich ein zusätzliches Öko-Image zuzulegen „würde albern wirken“, auch wenn die Linke inhaltlich bei den Themen Ökologie, Nachhaltigkeit und Atomkraft eigentlich nicht viel unterscheidet.

„Die Grünen stehen originär für diese Themen, da kommen wir schwer rein“, sagt auch Linken-Vizechef Albers. Er setzt eher darauf, Renate Künast und ihre Mitstreiter bis zum September immer wieder damit zu konfrontieren, dass ihr Wahlprogramm „herrlich unpräzise“ sei und sie keine klaren Angaben machten, wo sie zum Beispiel angekündigte Einsparungen in Millionenhöhe vornehmen wollten. Statt in der Wählerschaft der Grünen zu fischen, setzt die Berliner Linke eher darauf, ihre „originären Wähler“ mit Themen wie Miete oder Sozialpolitik zu mobilisieren, von denen Albers zufolge bei der vergangenen Abgeordnetenhauswahl viele einfach nicht zur Abstimmung gingen. Nur so könne man dem derzeitigen Höhenflug der Grünen etwas entgegensetzen.

Eine schärfere Abgrenzung gegenüber dem Koalitionspartner SPD, wie sie manche Genossen fordern, fände Linken-Vizechef Albers in schwierigen Zeiten wie diesen allerdings kontraproduktiv: „Wir müssen aufpassen, dass die Gräben nicht so tief werden, dass man keine Brücken mehr bauen kann“, sagt er mit Blick auf aktuelle Streitpunkte wie ÖBS, Autobahn A 100 oder Wasserbetriebe.

Zum Streit um den ÖBS – den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, bei dem Berlin Bundesgelder für Langzeitarbeitslose aufstockt, um sozialversicherungspflichtige Stellen mit Mindestlöhnen zu schaffen – gibt es an diesem Dienstag ein Spitzengespräch zwischen dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke).

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