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Sarrazin

© Thilo Rückeis

Berlins Finanzsenator: Immer wieder Ärger mit Sarrazin

Den "Dieter Bohlen der Politik" nannte ihn die "Bild"-Zeitung vor kurzem. Thilo Sarrazin dürfte das Urteil sogar gefallen. Denn Berlins Finanzsenator empfindet fast schon Lust dabei, andere mit seinen Aussprüchen zu provozieren. Doch im Senat fängt es an zu knirschen.

Diesmal könnte Thilo Sarrazin den Bogen endgültig überspannt haben. In der Berliner rot-roten Koalition schwindet die Unterstützung für den sozialdemokratischen Finanzsenator, der nach den "Hartz-IV"-Empfängern nun angeblich leistungsschwache Schüler ins Visier nahm. Wurden die Verbalattacken anfangs noch mit gequältem Verständnis nach dem Motto "So ist halt unser Thilo" aufgenommen, gehen viele jetzt auf Distanz.

Gerade war der Sturm der Entrüstung über einen vom Finanzsenator vorgelegten Speiseplan für "Hartz IV"-Empfänger abgeebbt, da legte Sarrazin nach: Laut einem Medienbericht soll er bei einer Veranstaltung einen Vergleich angestellt haben, wonach Berliner Hauptschüler selbst dann schlechter sind als bayerische, wenn sie einen Abschluss haben, die bayerischen Schüler aber nicht. Sarrazin bestreitet, dass die Worte so gefallen sind, aber anscheinend glaubt ihm niemand mehr.

SPD ist "überdrüssig"

Nachdem Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) lange die schützende Hand über seinen wichtigsten Senator hielt, findet SPD-Landes- und -Fraktionschef Michael Müller nun klare Worte. Der Finanzsenator solle sich "ausschließlich" um sein Ressort kümmern und nicht ständig in anderen Bereichen wildern. Zugleich gibt Müller zu, dass viele in der SPD-Fraktion der ständigen Einmischungen Sarrazins "überdrüssig" seien.

Auch der Berliner Linke-Landeschef Klaus Lederer ist genervt. Ungeachtet seiner Verdienste als Finanzsenator scheine es jetzt so, dass Sarrazin "mit aller Kraft seine Rolle als Enfant terrible in den Vordergrund stellen will". Sarrazin torpediere "fortgesetzt und in immer kürzeren Abständen" die Bemühungen der Koalition, die Lebensbedingungen der sozial Benachteiligten zu verbessern. Es komme "der Punkt, an dem der durch solche Äußerungen angerichtete Schaden größer ist als der Nutzen seiner Arbeit."

Sarrazin hat seit seinem Amtsantritt Anfang 2002 mit gezielten Provokationen immer wieder in alle Richtungen ausgeteilt. Vor allem den Staatsdienern las er nicht selten die Leviten. Mal geißelte er eine angeblich ungenügende Arbeitsmoral, mal ein Anspruchsdenken. Beinahe schon sprichwörtlich sind die "faulen, stinkenden Beamten". Auch dies will Sarrazin so nicht gesagt haben, die Äußerung hängt ihm aber bis heute an.

Sarrazins Motive bleiben rätselhaft

Obwohl er häufig nicht den richtigen Ton traf, hielten ihm anfangs einige zugute, dass er in der Sache nicht völlig daneben lag. Außerdem hat Sarrazin als Finanzsenator einen guten Job gemacht und Berlin mit einem rigiden Sparkurs auf eine Haushaltskonsolidierung eingeschworen, die auch dank sprudelnder Steuereinnahmen mittlerweile Früchte trägt. Ohne diese Beharrlichkeit wäre das noch immer mit rund 60 Milliarden Euro verschuldete Land nicht so weit, räumt selbst die Opposition ein. Als Lohn wurde er von seinen Länder-Amtskollegen zum Chef der Finanzministerkonferenz gewählt, der er seit Januar vorsteht.

Doch ein Unrechtsbewusstsein für verfehlte Kritik ist Sarrazin weitgehend fremd, kritisieren Mitstreiter, die ihn gut kennen. Er lasse sich von einer "dürren mathematischen Logik" leiten, blende das Gefühl aus und sei beratungsresistent. Die Motive des Politikers geben indes bis heute Rätsel auf. Während manche noch immer hoffen, das Herumpoltern sei Ungeschicklichkeit und damit änderbar, unterstellen ihm andere gnadenloses Kalkül. Schließlich werden dem ehrgeizigen SPD-Politiker Ambitionen auf einen Vorstandsposten bei der Bundesbank nachgesagt, der 2009 frei wird. (ddp)

Christina Schultze

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