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Bewertung: Keine Noten für die Pflegeheime

Die vorgeschriebene Qualitätsprüfung kann in Berlin nicht umgesetzt werden: Es fehlt ein Bewertungskatalog – und auch das Personal.

Menschen übersät mit Druckgeschwüren, vernachlässigt und unzureichend ernährt, mit Medikamenten ruhiggestellt. Dass Fakten wie diese bekannt wurden, bereitete den Boden für eine bisher ungeahnte Qualitätstransparenz in der Pflege. Heime und Pflegedienste sollen benotet und dadurch vergleichbar werden, so schreibt es die vor einem halben Jahr in Kraft getretene Pflegereform fest. Doch zumindest in Berlin werden Pflegebedürftige noch lange auf die Umsetzung warten müssen.

Frühestens in der zweiten Jahreshälfte werden für die ersten Heime solche Qualitätszeugnisse veröffentlicht – obwohl die Kontrolldienste der Pflegekassen schon seit dem 1. Januar 2009 verpflichtet sind, die Einrichtungen zu benoten. Denn es gibt Verzögerungen. So einigten sich Pflegekassen und Heimbetreiber nach langwierigen Verhandlungen erst im vergangenen Dezember auf die Kriterien, die der Benotung zugrunde liegen – ein Viertel Jahr später als erwartet.

83 Einzelpunkte zu Themen wie Hygiene im Heim, Umgang mit Demenzkranken, Standards der medizinischen Versorgung und Zufriedenheit der Bewohner fließen in eine Gesamtbewertung ein, die von „sehr gut“ bis „mangelhaft“ reichen soll. Wegen dieser Verzögerung existiert auch der dafür nötige Leitfaden für die Prüfer des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) noch nicht. Das werde sich erst im Frühjahr ändern, erklärt der Spitzenverband der Medizinischen Dienste in Essen. Bis dahin bewerten die Kontrolleure die Einrichtungen weiterhin nach den alten Prüfrichtlinien – eben ohne Benotung.

Ein weiteres Problem ist dagegen hausgemacht. Trotz der zu erwartenden Mehrarbeit hat der MDK-Berlin-Brandenburg, anders als andere Bundesländer, keine weiteren Stellen für Prüfer geschaffen. Es gibt also nicht genügend Kontrolleure. Dabei gäbe es eine Menge zu tun. Laut Gesetz müssen alle Pflegeeinrichtungen bis Ende 2010 mindestens einmal vom MDK kontrolliert worden sein – bevor sich dann jährliche unangemeldete Kontrollen anschließen. Das sind in Berlin nach Kassenangaben rund 860 Einrichtungen – Heime und ambulante Pflegedienste. Seit Inkrafttreten der Pflegereform im Juli 2008 hat der MDK 130 von ihnen begutachtet, für 2009 und 2010 sind je 260 geplant. Bleibt eine Lücke von 210 Einrichtungen.

Also datieren die Pflegekassen, die die Aufträge für die Kontrollen erteilen und bezahlen, den Zeitraum, in dem die Erstkontrollen stattfinden müssen, um zwei Jahre zurück auf Mitte 2006. Dadurch erhöht sich die Zahl der geprüften Einrichtungen um 180 – das numerische Ziel wäre also fast erreicht, das der Vergleichbarkeit jedoch nicht. Sind doch diese Berichte auf anderer Grundlage entstanden, nach anderen Kriterien und oft nach Voranmeldung. Die Pflegereform schreibt aber unangemeldete Kontrollen vor.

Fazit: Auch Ende 2010 werden schätzungsweise 400 Berliner Pflegeeinrichtungen keine Note vorweisen können – und damit unverschuldet benachteiligt sein. Ist doch zu erwarten, dass, wer einen Pflegeplatz sucht, eher die Einrichtungen mit Zensur in die engere Wahl zieht.

Der „Pflegeheimführer Berlin 2008“ des Tagesspiegels enthält bereits für rund 100 Heime Kontrollergebnisse des MDK. Er ist für 9,80 Euro (7,80 Euro für Abonnenten) erhältlich im Tagesspiegel-Shop, Potsdamer Str. 87 (Tel. 26009-582).

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