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Bleiberecht: Geduldete sollen leichter Arbeit finden

Sie arbeiten als Nachtwächter, Hilfsköche oder Nachtwächter - manche trotz eines akademischen Abschlusses. In Berlin leben 10.000 geduldete Flüchtlinge, für die es bisher nicht einfach war, Arbeit zu finden. Das soll sich jetzt ändern.

Herrn N. hat das Schicksal nicht mit Samthandschuhen angefasst. Herr N. ist 43 Jahre alt und hat vor zwanzig Jahren in Minsk Medizin studiert. Auch ehemalige DDR-Bürger haben in Minsk oder Moskau studiert und versorgen heute in Berlin ihre Patienten. Herr N. aber arbeitet als Nachtwächter. Denn er kommt aus Kamerun. 1997 ist er nach Deutschland geflüchtet. Der Asylantrag wurde abgelehnt, er bekam eine Duldung und durfte hierbleiben. Mit dem Status der Duldung durfte er weder arbeiten noch sich fortbilden. Er lebte von Sozialhilfe.

Vor zwei Jahren beschlossen die Innenminister, dass diejenigen unter den über 100 000 Flüchtlingen, die wie Herr N. mit einer Duldung hier leben, eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können. Vorausgesetzt, sie waren am 1. Juli 2007 mindestens sechs Jahre hier und können bis Ende 2009 nachweisen, dass sie den Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Herr N. wollte und bekam eine Arbeitserlaubnis. Wenn er sich fortbilde, würde man sein Medizindiplom anerkennen, hieß es. Als er eine Fortbildungsmöglichkeit gefunden hatte, war er 41 Jahre alt, zu alt. Der Abschluss des Diploms dürfe höchstens fünf Jahre zurückliegen.

„Es ist manchmal zum Verzweifeln“, sagt Eva-Maria Kulla. Sie hat in Steglitz das Projekt „Bleiberecht durch Arbeit“ ins Leben gerufen und müht sich seit einem Jahr, mit Unterstützung von Diakonie und Landeskirche, Flüchtlinge in Lohn und Brot zu bringen. Herr N. saß schon oft in dem hellen Wartezimmer, zusammen mit anderen Gestrandeten aus dem Libanon, dem Iran, aus Afrika oder aus dem ehemaligen Jugoslawien. Viele sind seit mehr als zehn Jahren hier und durften in dieser Zeit nicht arbeiten. „Jemand, der ein Jahrzehnt stillgelegt war, soll von jetzt auf gleich auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen“, sagt Kulla, „das ist fast unmöglich“. Mit Aushilfsjobs ist es nicht getan, die Ausländerbehörde will einen dauerhaften Arbeitsvertrag sehen. Kulla und ihre Kollegin schreiben mit den Flüchtlingen Bewerbungen und trösten, wenn Sorgen und die Panik, nichts zu finden, sie niederdrücken. „Oft fehlt es an Berufspraxis, die Abschlüsse werden nicht anerkannt, so dass nur schlecht bezahlte Arbeiten infrage kommen als Putzfrau, Zimmermädchen, Küchenhilfe“, sagt Kulla. „Da verdienen Sie sechs Euro die Stunde. Ernähren Sie damit mal eine ganze Familie.“

Die Wirtschaftskrise hat die Chancen weiter verschlechtert. Dies haben jetzt auch die Parteien im Bundestag eingesehen. Bis auf die CDU sind alle Fraktionen dafür, die Frist, bis zu der man eine geregelte Arbeit nachweisen muss, zumindest um ein Jahr bis Ende 2010 zu verlängern. SPD, Grüne und Linke wollen die Regelung vereinfachen, so dass schon das intensive Bemühen um Arbeit ausreicht, um hierbleiben zu dürfen. „Wer keine Arbeit findet, muss zurück“, sagt Reinhard Grindel, der für die CDU/CSU-Fraktion im Innenausschuss sitzt. Aber auch er sieht Verhandlungsbedarf, zumindest was Familien mit Kindern angeht, die hier aufgewachsen sind. Nach der Bundestagswahl könne man noch einmal darüber reden, aber nur, wenn die anderen Parteien bereit wären, den Abschiebeschutz zu lockern.

Von 67 Flüchtlingen, die Kulla im vergangenen Jahr beraten hat, haben 15 eine Arbeit gefunden. Weitere sieben seien „auf einem guten Weg“. Von den 9000 momentan in Berlin geduldeten Flüchtlingen haben im vergangenen Jahr gerade mal 1300 eine Arbeit gefunden. Zoran M., weißes Hemd, graue Hose, ist einer davon. Er zeigt stolz eine Urkunde. Der 54-Jährige hat vor 17 Jahren Kroatien verlassen. Seitdem leben sie mit Duldung und von Sozialhilfe, 13 Jahre lang im Asylbewerberheim. Drei der sieben Kinder sind mittlerweile volljährig und machen eine Ausbildung. Seit einem halben Jahr darf auch der Vater arbeiten. Gerade hat er ein viermonatiges Praktikum als Küchenhilfe gemacht. Das Abschlusszeugnis weist ihn als „Fachkraft im Gastgewerbe“ aus.

Herr M. und seine Frau müssen zusammen mindestens 850 Euro netto verdienen, zweimal den Hartz-IV-Satz plus einen Teil der Miete, damit die Aufenthaltserlaubnis verlängert wird. Ein Hilfskoch oder Zimmermädchen verdient als Teilzeitkraft kaum mehr als 460 Euro im Monat. „Macht nichts“, sagt Herr M. in gutem Deutsch. „Wir müssen jetzt Bewerbungen schreiben.“ Es gehe schließlich um seine Kinder. „Die sollen in Deutschland eine Zukunft haben.“ 

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