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Der Chef. Frank Henkel führt seit 2008 die Berliner CDU – heraus aus der Streitlust, hin zu neuen Konzepten und wohl auch in den Wahlkampf 2011.

© Doris Spiekermann-Klaas

CDU-Landeschef Frank Henkel: "Rot-Rot hat abgewirtschaftet"

CDU-Landeschef Frank Henkel kämpft für einen Regierungswechsel in Berlin. Er spricht von Selbstbedienungsmentalität, dreistem Filz und Realitätsverlust.

Herr Henkel, diskutiert Ihre Partei zu wenig über den Islam?

Die Berliner CDU hat einstimmig ein Integrationsprogramm verabschiedet. Es sind viele intensive Diskussionen dazu geführt worden. Dabei hat auch der Umgang mit dem Islam eine Rolle gespielt.

Und warum schreibt der Pankower Islamkritiker René Stadtkewitz, noch Mitglied der CDU-Fraktion, in einem offenen Brief, viele CDU-Mitglieder wollten über den Islam „und die damit einhergehende Integrationsverweigerung sprechen“?

Das verwundert mich. Schließlich konnte sich jeder an der Diskussion beteiligen. Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst und diskutieren frei von Tabus. Wir wollen Gemeinsinn und Identifikation stiften.

Ist Religion dabei ein Hindernis?

Natürlich gibt es dabei auch Herausforderungen und Dialogbedarf. Die Union ist eine wertebezogene Partei. Wir stellen uns dieser Debatte. Aber ich wende mich gegen undifferenzierte Urteile und Dämonisierungen.

Und wo sehen Sie die Tabus?

Wir haben gesellschaftliche Fehlentwicklungen angesprochen. Wir wollen zum Beispiel keine Burkas und keine doppelte Staatsangehörigkeit. Die CDU hat sich immer gegen politischen oder religiösen Extremismus ausgesprochen.

Stadtkewitz’ Kritik am Islam und seine Sympathien für den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders passen eher zu Bewegungen wie Pro Deutschland oder Pax Europa. Was wird am rechten Rand des politischen Spektrums 2011 los sein?

Ich will nicht spekulieren. Aber für eine Neugründung einer Partei braucht es mehr als nur einzelne Stimmungen.

Die Union hat rechte Wähler immer zu integrieren versucht. Ist Ihre Partei heute zu weit in der Mitte positioniert?

Franz Josef Strauß pflegte zu sagen, dass rechts neben uns nur noch die Wand ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Union sich breit aufstellen und verschiedene gesellschaftliche Strömungen abbilden muss. Das muss sie personell und inhaltlich machen. Wahlen gewinnt man aber in der Mitte.

Wer vertritt in der Berliner CDU den rechten Flügel?

Bei der Arbeit am Integrationsprogramm haben die beiden Protagonisten, Monika Grütters und Burkard Dregger, ein breites Meinungsspektrum berücksichtigt.

Soll Dregger Konservative ansprechen?

Ja. Das war einer der Gründe, warum ich ihn im Landesvorstand haben wollte.

Wo stehen Sie selbst? Immerhin vertreten Sie eine klare Law-and-Order-Politik.

Ein Parteichef muss die Flügel zusammenbinden. Das ist meine Aufgabe.

In den Umfragen steht die CDU bei 19 Prozent. Wie groß ist das CDU-Potenzial?

Es ist die Berliner Besonderheit, dass sich vier Parteien in den Umfragen nahezu gleichauf bewegen. Es gibt aktuelle Umfragen, die uns bei 25 Prozent sehen, gleichauf mit der SPD und vor den Grünen. Ich kämpfe dafür, dass die CDU 2011 die stärkste politische Kraft in Berlin wird.

Die Grünen sind aber jetzt schon zweitstärkste Partei. Woher kommt der Aufwind der Grünen?

Die Grünen positionieren sich beliebig. Sie bekennen sich nicht, sie sagen nicht, wofür sie eigentlich stehen. Die Grünen sollen doch klar sagen, ob sie die Gemeinschaftsschule wollen und die Gymnasien abschaffen wollen. Sie eiern herum. Für mich ist das substanzlose Wohlfühlpolitik. Spätestens im Wahlkampf aber müssen die Grünen Farbe bekennen.

Warum profitiert die CDU nicht von dieser Wohlfühlpolitik, wie Sie sagen?

Die Grünen regieren nicht im Bund und in Berlin. Die CDU regiert und muss im Bund auch unpopuläre Entscheidungen treffen. Diese schlagen sich immer auf die Umfragewerte in den Ländern nieder.

Nennen Sie uns doch Gründe, warum die Union mit Angela Merkel bei den Landtagswahlen 2011 gut abschneidet.

Die politische Bilanz kann sich schon sehen lassen: Wir haben eine niedrige Inflationsrate, eine niedrige Arbeitslosenquote, die Wirtschaft springt wieder an. Wir haben im Wahlkampf gesagt, dass wir Zukunft gestalten wollen. Das Sparpaket der Regierung ist grundsätzlich richtig, auch wenn die Debatte über die soziale Ausgewogenheit in meinen Augen nicht abgeschlossen ist. Berlin profitiert von den sprudelnden Steuereinnahmen. Aber Berlin muss mehr Anstrengungen in der Haushaltskonsolidierung unternehmen und sich ein Beispiel am Bund nehmen.

Wenn alle Großstadtparteien für grüne Technologie, Integration und gegen Hauptschulen sind: Womit will die CDU Wahlkampf machen?

Wowereit ignoriert die drängendsten Probleme in der Stadt wie die Verlängerung der A 100, die Zukunft von ICC und Charité, den Großflughafen. Es geht uns um sichere und saubere Kieze, Arbeitsplätze und neue Industrien. Eines der vordringlichsten Probleme ist die Bildung. Das, was Senator Zöllner vorschlägt, ändert nichts an Lehrermangel und Unterrichtsausfall. Auch ein Kampf gegen die Gymnasien kommt für uns nicht infrage.

Sollten die Grünen Renate Künast als Spitzenkandidatin nominieren, dürfte die Auseinandersetzung Wowereit–Künast im Wahlkampf die meiste Aufmerksamkeit binden.

Renate Künast, sollte sie antreten, ändert an den grundsätzlichen Problemen der Grünen gar nichts: Sie müssen endlich sagen, was sie wollen.

Können Sie sich eine Koalition mit den Grünen unter Renate Künast vorstellen?

Wir kämpfen nicht für eine Koalition. Ich werde in den Wahlkampf mit dem klaren Ziel gehen, stärkste politische Kraft zu werden für einen Politikwechsel in der Stadt. Die Wähler entscheiden, wer die Stadt führt. Dann müssen wir ausloten, wo es inhaltliche Brücken gibt. Es gibt welche, etwa bei den sauberen Energien oder bei der Haushaltskonsolidierung. Es gibt aber auch Unterschiede, etwa bei der Integration und der Bildung.

Was stört Sie an den Grünen-Vorstellungen von Integration?

Die Grünen machen eine rückschrittliche Integrationspolitik. Wir halten den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft erst nach einer gelungenen Integration für den richtigen Weg, die Grünen wollen den umgekehrten Weg gehen. Das finden wir falsch.

Die Bildungspolitik war ein großes Projekt der schwarz-grünen Koalition in Hamburg. Ein Volksentscheid hat die Koalition bei dem Versuch gebremst, die sechsjährige Grundschule einzuführen. Was schließen Sie aus dem Rückzug Ole von Beusts?

Alle Parteien dort haben für die Primarschule votiert, die Menschen in Hamburg haben eine andere Entscheidung getroffen. Wer Volksentscheide will, muss mit den Ergebnissen leben. Das Ergebnis ist kein Signal gegen Schwarz-Grün.

Friedbert Pflüger setzte stark auf eine Jamaika-Koalition. Dann hörte man gar nichts mehr. Und nun?

Die parlamentarische Zusammenarbeit hat in den vergangenen Jahren gut funktioniert. Es gibt immer mal wieder gemeinsame Projekte, Initiativen und Anträge. So wird es auch bleiben. Aber mit Blick auf 2011: Ich führe keinen Koalitionswahlkampf, ich kämpfe für einen Politikwechsel. Rot-Rot hat abgewirtschaftet, es herrscht Selbstbedienungsmentalität, dreister Filz und Realitätsverlust.

Klaus Wowereit wirkt aber, als habe er sein Formtief überwunden.

Er wurde von seiner Partei dazu verdonnert, sich endlich wieder in der Stadt blicken zu lassen. Das spricht doch für sich. Bei den großen Themen – A 100, ICC, Gesundheitskonzept, Klimaschutzgesetz – ist Rot-Rot zerstritten. In den nächsten dreizehn Monaten wird sich in der Stadt politisch nichts mehr tun.

Rot-Rot wird im Wahlkampf sagen: Wir verhindern die soziale Spaltung der Stadt. Was setzen Sie dem mit der schwarz-gelben Koalition im Hintergrund entgegen?

Rot-Rot steht dafür, dass Berlin bei der Arbeitslosigkeit oder in Pisa-Rankings immer auf den letzten Plätzen steht. Vor wenigen Jahren hat Wowereit noch das Ende des industriellen Zeitalters ausgerufen. Jetzt kommt er mit einem Masterplan Industrie und räumt ein, dass die jahrelange Vernachlässigung ein Fehler war. In der Frage, ob Berlin ein industrielles Rückgrat braucht, haben wir es bei Rot-Rot mit schweren Versäumnissen zu tun.

Der Senat argumentiert, dass er für den Verlust an Arbeitsplätzen nichts könne.

Die beste Sozialpolitik ist eine Wirtschaftspolitik, die dazu führt, dass Menschen ihr Leben eigenständig gestalten können. Statt des öffentlichen Beschäftigungssektors wäre es soziale Politik, Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen.

Sie nehmen einen der hintersten Plätze ein, was die Beliebtheit unter den Berliner Politikern betrifft. Was machen Sie falsch?

Regierungspolitiker kommen bei diesen Umfragen immer besser weg. Ich sehe da keinen Grund zur Beunruhigung.

Sie fahren für ein paar Tage nach Rügen und wollen dort ein paar Kilo abnehmen. Rüsten Sie sich schon für den Wahlkampf als Spitzenkandidat der Berliner Union?

Partei und Fraktion haben mir ihre Führung anvertraut. Diese Aufgabe erfülle ich sehr gerne. Alles andere werden wir zu gegebener Zeit entscheiden.

Das Gespräch führten Sabine Beikler und Werner van Bebber.

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