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Christopher Street Day: Sexuelle Identität soll im Grundgesetz geschützt werden

SPD, Linke und Grüne fordern Bundesratsinitiative für eine Änderung des Gleichheitsartikels. CDU und FDP sprechen von Effekthascherei vor der Homo-Parade.

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Dieser Antrag ist eine zeitliche Punktlandung. Genau zwei Tage vor dem Christopher Street Day (CSD) wird das Parlament am heutigen Donnerstag mit den Stimmen von Rot-Rot und den Grünen einen Antrag verabschieden, der den Senat zu einer Bundesratsinitiative auffordert. SPD, Linke und Grüne wollen nämlich das Grundgesetz ändern. Im Diskriminierungsverbot in Artikel 3 soll künftig auch untersagt werden, Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung zu benachteiligen. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) will eine Grundgesetzänderung. „In den Gleichheits-Artikel des Grundgesetzes sollte die Formulierung eingefügt werden, dass niemand wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden darf. Das ist eine Forderung, die ich ausdrücklich unterstütze“, sagte Wowereit dem Tagesspiegel.

Ungewöhnlich ist nicht nur der Inhalt des per Dringlichkeit eingereichten Antrags. Auch die Tatsache, dass er von den Regierungsfraktionen und von einer Oppositionspartei gemeinsam entworfen wurde, ist etwas Besonderes. Das mag daran liegen, dass in allen Fraktionen homosexuelle Abgeordnete sind, die oft ein „informelles Netzwerk“ pflegen und politische Anliegen gemeinsam vorantreiben, sagt Thomas Birk von den Grünen. So verabschiedete das Parlament fraktionsübergreifend im April den „Berliner Aktionsplan gegen Homophobie“. Darin werden mit Bezug auf Überfälle auf Homosexuelle 24 Maßnahmen gefordert, die der Ablehnung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen entgegenwirken sollen.

Ein solcher Konsens wird am heutigen Donnerstag nicht erzielt werden. Die CDU lehnt eine Bundesratsinitiative ab. Der CDU-Abgeordnete Sascha Steuer, der sich offen zu seiner Homosexualität bekannt hat, spricht von „Effekthascherei vor dem CSD“, da so eine Initiative nicht durchsetzbar ist. Die Union lehne auch eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes ab. Auch die Liberalen haben verfassungsrechtliche Bedenken. Außerdem sei der Begriff „sexuelle Identität“ nicht eindeutig definiert, kritisiert FDP-Rechtspolitiker Sebastian Kluckert. Darunter könnten schließlich auch Sodomisten oder Pädophile fallen. Wie die Union sehen die Liberalen in dem Antrag „eine reine PR-Nummer vor dem CSD“.

Trotz des „kurzen Drahts“ untereinander widersprechen offen schwul oder lesbisch lebende Politiker wie Birk oder der Linken-Parteichef Klaus Lederer der Vermutung, es sei leichter, unter homosexuellen Politikern einen Konsens zu erzielen. „Im Gegenteil“, sagt Lederer. „Dass man schwul ist, heißt noch lange nicht, dass man entsprechende Politik macht.“ Auch für den CDU-Politiker Steuer spielt Schwulsein in der Politik überhaupt keine Rolle. Er habe als Bildungsexperte zu den Fachpolitikern einen viel besseren Draht als zu manch homosexuellem Abgeordneten. Auch andere homosexuelle Politiker wie der SPD-Verfassungsschutzexperte Tom Schreiber lehnen „ Betroffenheitspolitik“ ab, sondern bewerten Gleichstellungspolitik als Querschnittsaufgabe.

Berlin hat dafür bereits viel getan: Lebenspartnerschaften wurden im Beamtenrecht gleichgestellt, am Dienstag beschloss der Senat einen Gesetzentwurf, der dies auch für die Hinterbliebenenversorgung bei Ärzten und anderen Heilberufen vorschreibt. Die größten Hürden für eine wirkliche Gleichberechtigung sehen schwule Politiker bei Regelungen, die nur auf Bundesebene geändert werden können. So kritisiert der homosexuelle Charlottenburger SPD-Stadtrat Marc Schulte Mängel beim Bundesrecht, das ihn und seinen Mann immer noch anders als heterosexuelle Ehepaare behandelt. So hätte sich Schulte früher durchaus vorstellen können, ein Kind zu adoptieren – wenn das rechtlich zugelassen gewesen wäre.

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