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Raum für Ideen. Politiker wie Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) wollen Bürger stärker an der Stadtplanung beteiligen.

© Kai-Uwe Heinrich

Debatte um Stadtentwicklung: "Das ist einer Metropole nicht würdig"

Die Stadtplanung steckt in der Krise. Politiker und Experten fordern jetzt Eingriffe in die Bauordnung, Beteiligung der Bürger und mehr Wettbewerbe.

Eine Änderung der Bauordnung, offene Wettbewerbe für alle zum Verkauf angebotenen landeseigenen Grundstücke und eine bürgerschaftliche Debatte darüber, wie die Berliner ihre Stadt gestalten wollen – die Architektur-Debatte bringt zahlreiche neue Ideen hervor, wie uniforme Neubauten und seelenlose Quartiere verhindert werden können. Eine Kontroverse lösen dabei auch Positionen aus, die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher am Donnerstag im Tagesspiegel bezog.

Die CDU findet Lüschers Plädoyer für verbindliche Wettbewerbe bei Bauprojekten „unglaubwürdig“, so der baupolitische Sprecher Matthias Brauner. Jahrelang habe der Senat Bauvorhaben nur dann ausgeschrieben, wenn es unbedingt nötig war. „Jetzt mehr Offenheit zu fordern, ist putzig“, sagt Brauner.

Die Grünen teilen die zuvor von Architekten und auch von Lüscher geäußerte Kritik an der mangelnden Offenheit von Wettbewerben. Allerdings garantierten verbindliche Wettbewerbe allein keine bessere Architektur, so die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Franziska Eichstädt-Bohlig. Viel wichtiger seien Leitbilder für die Entwicklung Berlins. Diese müssten viel stärker in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Stattdessen suche der Senat etwa bei den Planspielen für das Tempelhofer Feld Konzepte für Teilbereiche wie das Columbiaquartier, ohne zuvor ein Leitbild für das ganze Areal entwickelt zu haben.

Dagegen stellt sich die FDP mit der CDU ganz auf die Seite der Bauherren. „Wenn Investoren etwas bauen wollen, sollen sie es so bauen dürfen, wie sie wollen“, sagt Klaus-Peter von Lüdeke, baupolitischer Sprecher der FDP. Aber auch Lüdeke würde sich wünschen, Wettbewerbe „offener“ zu gestalten, um interessantere, neue Architektur zu fördern.

Zustimmung erhält Lüscher von der SPD: Deren baupolitischer Sprecher Michael Arndt würde jede Initiative unterstützen, die Wettbewerbe zur Pflicht macht. Er spricht sich ferner für eine Öffnung der Verfahren aus, damit weniger etablierte Architekten ausgefallene Ideen vorstellen können – wie es Lüscher bei der Planung des Tempelhofer Feldes getan habe. „Eine Demokratisierung der Architektenwettbewerbe ist für die Stadt unbedingt notwendig,“, sagt Arndt.

Der Präsident der Berliner Architektenkammer Klaus Meier-Hartmann forderte eine Änderung der Bauordnung. Bisher werden Neubauten genehmigt, sofern sie die Umgebung nicht verunstalten. „Stattdessen brauchen wir ein Gestaltungsgebot“. Dadurch könne die Stadt Einfluss auf die Gestaltung nehmen. Außerdem sollte Berlin einen architektonischen Wettbewerb durchführen vor dem Verkauf landeseigener Grundstücke und den Käufer zur Realisierung des preisgekrönten Entwurfs verpflichten. Dadurch habe der Investor Planungssicherheit und der Einfluß der Stadt auf Gemeinwohl und Gestaltung seien gesichert.

Der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg Franz Schulz (Grüne) sieht schwere Versäumnisse in der Planungspolitik: „Der Senat muss eine bürgerschaftliche Debatte darüber zulassen, wie die Berliner leben wollen“. Die Erfahrungen aus dem Bürgerbegehren zur Mediaspree lehrten, dass die Bürger nicht im Ansatz das Gefühl haben, bei den städtebaulichen Entscheidungen mitgenommen zu werden. „Die Stadt wird verwaltet und das ist einer Metropole nicht würdig“, so Schulz. Es gebe auch „kein städtebauliches Konzept für die Zwischennutzungen städtischer Freiräume“. Der Widerstand gegen Bürokomplexe sei darauf zurückzuführen, dass sich viele mit den „Experimentierflächen“ identifizieren. Obwohl die Clubs und Strandbars die Anziehungskraft Berlins ausmachen, spielten sie keine Rolle bei den Planungen des Senats. Schulz schlägt vor, auf Flächen des Liegenschaftsfonds Zwischennutzungen für einen Zeitraum von zehn Jahren zuzulassen – mit jährlichem Wechsel der Besitzer.

Der Hauptgeschäftsführer der Bundesarchitektenkammer Tillmann Prinz übte scharfe Kritik am geplanten Neubau des Bundesministeriums für Bildung am Kapelle-Ufer. Wie berichtet, erfolgt dieser ohne Ausschreibung unter Federführung eines privaten Entwicklers. „Auch wenn er private Mittel heranzieht, darf sich der Bund nicht von seinem Qualitätsanspruch verabschieden.“

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