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Immer schön transparent bleiben. Die Piraten gehen mit gutem Beispiel voran und sprechen vielen Bürgern aus dem Herzen: Politiker sollen ihre Nebeneinkünfte öffentlich machen.

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Der gläserne Volksvertreter: Sollen Berlins Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte offen legen?

Piraten-Abgeordnete veröffentlichen ihre Nebeneinkünfte, Grüne fordern Pflicht zur Transparenz. Dagegen verweisen andere auf den Status des Halbtagsparlaments.

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Die Grünen fordern es schon lange, aber die Piraten haben es erstmals in die Tat umgesetzt: Die Nebeneinkünfte der 15 Abgeordneten wurden vor ein paar Tagen im Internet veröffentlicht. Zunächst für November/Dezember 2011, alles auf freiwilliger Basis. Denn es gibt im Land Berlin keine gesetzliche Grundlage, die Volksvertreter zwingt, ihre Einkommen offenzulegen. Mit Ausnahme der Diäten, die im Landesabgeordnetengesetz festgelegt sind: monatlich 3233 Euro brutto, zusätzlich eine steuerfreie Kostenpauschale von 955 Euro für Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrtkosten.

Der Präsident des Abgeordnetenhauses erhält doppelt so viel. Die Vizepräsidenten die eineinhalbfache Summe. Und Abgeordnete, die nebenberuflich als Berater, Gutachter, Lobbyist oder Vortragsredner auftreten und damit mehr als 2000 Euro jährlich verdienen, müssen dies dem Parlamentspräsidenten anzeigen. Dasselbe gilt für Spenden, die jährlich 2500 Euro übersteigen. Aber nur, wenn die Spendensumme 5000 Euro übersteigt, muss dies veröffentlicht werden. Der Beruf, Verbandsmitgliedschaften und Vermögensbeteiligungen müssen von den Berliner Abgeordneten ebenfalls öffentlich angezeigt werden. Allerdings nicht, was sie damit verdienen.

Die Grünen hatten schon im Sommer 2010 einen Antrag im Parlament eingebracht, um die Lage an der Front der Nebeneinkünfte transparenter zu machen. Sie griffen damit eine Debatte auf, die bundesweit seit Jahren geführt wird. Durchaus mit Erfolg. Im Bundestag müssen seit 2007 alle Volksvertreter Einkünfte offenlegen, die sie durch Tätigkeiten außerhalb des Abgeordnetenmandats erzielen, soweit es mehr als 1000 Euro monatlich oder 10 000 Euro jährlich sind. Und zwar für jede Tätigkeit in drei Stufen: 1000 bis 3500 Euro, bis 7000 Euro und über 7000 Euro.

Die Berliner Grünen wollen dieses Modell auf das Abgeordnetenhaus übertragen, angereichert durch eine vierte Stufe, die auch Nebentätigkeiten erfasst, die weniger als 1000 Euro monatlich einbringen. Allerdings hatte ihr Antrag kurz vor Beginn des Berliner Wahlkampfs keine Chance, eine Mehrheit zu finden. Am ehesten fanden sie Unterstützung bei den Linken. Die anderen Fraktionen verwiesen vor allem darauf, dass das Abgeordnetenhaus ein Halbtagsparlament sei. Denn das macht es schwer, zwischen dem normalen Berufseinkommen und bezahlten Nebeneinkünften zu unterscheiden.

Deshalb waren SPD, CDU und FDP mehrheitlich der Meinung: Die Veröffentlichung von Nebeneinkünften sei in Ordnung, weil mögliche Interessenskollisionen und wirtschaftliche Abhängigkeiten von Abgeordneten daraus ablesbar seien. Aber die privaten Vermögensverhältnisse und das Berufseinkommen unterlägen dem Steuergeheimnis und seien vor Veröffentlichungen geschützt. Außerdem könnten Freiberufler (etwa Rechtsanwälte oder Steuerberater) Probleme bekommen, weil sie verpflichtet sind, ihre Mandanten zu schützen.

Nach der Wahl brachten die Grünen ihren Antrag erneut im Parlament ein, dort wird er in nächster Zeit beraten. Die Oppositionsfraktion verweist darauf, dass rechtliche Bedenken – weil das Abgeordnetenhaus ein Teilzeitparlament ist – vom Wissenschaftlichen Parlamentsdienst in einem Gutachten inzwischen ausgeräumt worden seien. Zumal es durchaus strittig ist, ob der formale Status des Teilzeitparlaments noch der Berliner Wirklichkeit entspricht. Von den 149 Abgeordneten geht mehr als die Hälfte keinem geregelten Beruf nach, ist Profipolitiker oder im Ruhestand.

Pro: "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing."

Diese mittelalterliche Minnesängerweisheit gilt bis heute: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ Sprich: Wer einem Arbeitnehmer Honorare oder ein regelmäßiges Gehalt bezahlt, darf dafür im Gegenzug eine gewisse Loyalität gegenüber dem Geldgeber erwarten. Das kann bei Politikern auch in einem Teilzeitparlament, wie es das Abgeordnetenhaus formal ist, potenziell zu Interessenkonflikten führen.

Denn sie bekommen einerseits ihre Diäten dafür ausgezahlt, dass sie als gewählte Repräsentanten alle Bürger vertreten und niemandem außer ihrem Gewissen verpflichtet sind. Andererseits arbeiten zumindest manche von ihnen parallel in ihrem angestammten Beruf weiter. Das ist nicht nur legitim, sondern auch wünschenswert, denn so behalten sie den Kontakt zur realen Welt jenseits der Politik.

Aber als Bürger haben wir einen Anspruch darauf, genau zu wissen, wem unsere Volksvertreter in welchem Umfang über ihr politisches Mandat hinaus finanziell verbunden sind. Gerade wenn es um Honorare von öffentlichen Unternehmen geht, die die Politiker doch zugleich kontrollieren sollen, gebietet es die Transparenz, dass alle Zahlen auf den Tisch kommen. Deswegen ist es gut, wenn einzelne Abgeordnete sowie die komplette Fraktion der Piraten jetzt ihre Portemonnaies öffnen. Wer dem Beispiel nicht folgt, muss uns Wählern schon sehr gute Gründe nennen, wieso wir die Offenheit nicht verdienen. Lars von Törne

Contra: Gleiches Recht für alle

„Alle sind gleich, aber ich bin ein bisschen gleicher.“ Politiker werden kritisiert, wenn sie so denken, wenn sie vorne anstehen, wo es etwas zu holen gibt oder geben könnte. Allzu oft werden Fälle bekannt, in denen ein Volksvertreter meint, nicht jede Regel habe auch für ihn zu gelten. Jeder dieser Fälle ist einer zu viel, gerade weil sich viele Politiker fürs Gemeinwohl engagieren, ohne abzusahnen. Gleiches Recht für alle, heißt es, wenn doch mal wieder einer erwischt wird – zu Recht. Ein Volksvertreter hat für einen Service, für ein Produkt zu zahlen wie jeder andere. Dann aber gilt auch umgekehrt: gleiches Recht für alle. Berlins Abgeordnetenhaus ist formal ein Halbtagsparlament, die Parlamentarier sollen einen (zusätzlichen) Beruf ausüben wie jeder andere Bürger auch – und werden eben auch nur für ein Halbtagsmandat bezahlt. Solange dem so ist, dürfen die Abgeordneten nicht gezwungen werden, jedermann in ihr Portemonnaie schauen zu lassen.

Anders sähe es aus, wenn Berlins Parlament offiziell als das anerkannt wäre, was es in der Praxis oft ist: eine Aufgabe, die Einsatz in Vollzeit erfordert, wenn nicht mehr als das. Der Bürger könnte erwarten, dass der Parlamentarier, den er für dessen vollen Einsatz bezahlt, offenlegt, welche anderen Quellen sein Konto speisen. Solange aber Berlin meint, seine legislativen Angelegenheiten ließen sich in Teilzeit regeln, solange haben auch Abgeordnete ein Recht auf finanzielle Privatsphäre.

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