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Exklusiv

Berlin: Ex-Finanzsenator Sarrazin: Drei Millionen Euro verschenkt - zugunsten eines Golfclubs

Der ehemalige Finanzsenator Thilo Sarrazin ermöglichte in seiner Amtszeit dem Golfclub Wannsee ohne zwingenden Grund einen günstigen Pachtvertrag und verzichtete dadurch auf drei Millionen Euro. Sarrazin sieht den Sachverhalt anders, wie er gegenüber dem Tagesspiegel erklärte.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ex-Finanzsenator Sarrazin ermöglichte Golfklub Wannsee günstigen Pachtvertrag, obwohl Verein 2010 die Gemeinnützigkeit verliert Bei der Verpachtung eines landeseigenen Grundstücks an den Golfclub Wannsee hat der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) auf Einnahmen von drei Millionen Euro verzichtet. Denn bei den Verhandlungen im Sommer 2008 über ein neues Erbbaurecht für 99 Jahre war absehbar, dass der Verein ab 2010 die Gemeinnützigkeit verliert. Damit hätte der Golfclub den Anspruch auf eine besonders günstige Pacht verloren, die förderungswürdigen Sportvereinen zusteht, und müsste eigentlich den doppelten Pachtzins zahlen. Eine solche Nachbesserungsklausel steht aber nicht im Vertrag.

Kronzeuge ist der frühere Bauunternehmer Roland Specker, der zehn Jahre Präsident des Vereins war. Seit April 2009 ist er Ehrenmitglied, und mit dem Club-Geschäftsführer Michael Siebold führte Specker vor einem Jahr die Gespräche mit der Finanzverwaltung. "Bei der Endverhandlung ist es uns gelungen, die Vertragsgestaltung so festzuschreiben, dass ein Wegfall der Gemeinnützigkeit nicht zur Folge hat, dass der Erbbauzins sich nachträglich von drei auf sechs Millionen Euro verdoppelt", schrieb Specker im Juli stolz an die Vereinsmitglieder.

Sarrazin, der seit Mai im Vorstand der Bundesbank sitzt, ist inzwischen gern gesehener Gast in Wannsee: Zum Neujahrsempfang 2009 war der Golf-Anfänger eingeladen, und beim Rotary- und Lions-Turnier im Juni spielte er erstmals mit, obwohl er ein schlechtes Handicap von 54 hat. Die Sache mit dem Pachtzins sieht er anders. Voraussetzung für einen begünstigten Pachtzins sei nicht die Gemeinnützigkeit, sondern die förderungswürdige Bindung der Vereinsarbeit an sportliche oder kulturelle Zwecke, sagte er am Mittwoch auf Anfrage.

Im Sportförderungsgesetz des Landes Berlin steht aber: "Förderungswürdig ist eine Sportorganisation, wenn sie gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verfolgt und dies durch einen Freistellungsbescheid zur Körperschaftsteuer nachweist". Dieser Bescheid wird vom Finanzamt erteilt, wenn die Vereinstätigkeit darauf gerichtet ist, "die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichen Gebiet selbstlos zu fördern". Die Gemeinnützigkeit bringt den Vorteil, keine Steuern zahlen zu müssen, steuerlich abzugsfähige Spendenbescheinigungen ausstellen zu dürfen und förderungswürdig zu sein. Allerdings dürfen der durchschnittliche Mitgliedsbeitrag 1023 Euro pro Jahr und die Aufnahmegebühr 1534 Euro nicht überschreiten. Außerdem sind, nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs von 2006, obligatorische Eintrittsspenden ("Zwangsspenden") der Mitglieder an den eigenen Verein nicht mehr steuerlich abzugsfähig. Dadurch wurde die Gemeinnützigkeit für den Club unattraktiv.

Ohnehin wollte der Vorstand die Mitgliedsbeiträge deutlich erhöhen und eine Eintrittsgebühr von 20 000 Euro erheben. Früher hätten "kreative Verhandlungen mit der Finanzverwaltung" die existenziell wichtige Gemeinnützigkeit gesichert, steht in Speckers Brief. Nach dem Beschluss des Finanzhofs sei es "gelungen, mit der Finanzverwaltung einen einvernehmlichen Weg für den Ausstieg aus der Gemeinnützigkeit zu beschreiten".

Jetzt wird deutlich, warum der Club den alten, bis 2014 geltenden und überaus günstigen Pachtvertrag (15 Cent pro Quadratmeter) vorzeitig ablösen wollte. Denn mit dem Verlust der Gemeinnützigkeit wäre dieser Vertrag kündbar gewesen - und die neue Pacht doppelt so teuer geworden. Der Senat war 2008 sogar bereit, das Areal für 3,6 Millionen Euro an den Club zu verkaufen. Viel zu billig, widersetzte sich das Landesparlament. Denn selbst nach vereinsinterner Einschätzung steht der Golfclub "finanziell blendend" da und kann es sich beispielsweise leisten, dem Geschäftsführer Siebold inklusive Tantiemen etwa 300 000 Euro jährlich zu zahlen. Ersatzweise sorgte Sarrazin für einen Pachtvertrag. Der Entwurf lag schon am 3. Juli 2008 vor, bis zum Notartermin im August wurde vielfach nachgebessert. Der neue Senator Ulrich Nußbaum will sich nicht in den alten Streit einmischen, seine Behörde verweist auf das Steuergeheimnis. "Zu Einzelfällen äußern wir uns grundsätzlich nicht", sagte ein Sprecher. 

PS: Über die Golfleidenschaft von Thilo Sarrazin sind mehrere Geschichten im Umlauf. Sollten Sie auch eine kennen, schicken Sie sie bitte an tagesdienst@tagesspiegel.de oder rufen Sie an unter 030 - 322 950 144.

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