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Fahrverbote: "Eine Maut wäre sozialer als die Umweltzone“

Der Umweltexperte und Jurist Klaus-Martin Groth hält die Fahrverbotszone für grundfalsch. Jetzt hat er einen Leitfaden gegen die Umweltzone erarbeitet.

Ausgerechnet Sie als früherer Umweltstaatssekretär haben jetzt einen Leitfaden für Klagen gegen die Umweltzone erarbeitet. Haben Sie die Seiten gewechselt?

Nein, wir arbeiten hier in der Kanzlei für beide Seiten, sofern man bei dem Thema von Gegnern reden will. Alle sind sich ja einig, dass etwas gegen Gifte in der Luft wie Feinstaub und Stickoxide getan werden muss. Aber wenn man das so falsch angeht wie jetzt die Verwaltung, verspielt man die Akzeptanz der Leute – auch für das, was man vielleicht künftig vorhat.

Geht der rot-rote Senat das Thema also völlig falsch an?


Ja. Der entscheidende Fehler dieser Umweltzone mit Fahrverboten und Einzelausnahmen ist diese Alles-oder-nichts- Entscheidung: Der eine darf rein, der andere wird ausgesperrt. Ganz zu schweigen von dem wahnwitzigen bürokratischen Aufwand.

Welche Alternative haben Sie anzubieten?

Eine City-Maut mit gestaffelten Tarifen, beispielsweise analog der Plakettenfarben: Die Sauberen, die jetzt grüne Plaketten bekommen, zahlen gar nichts, die mit gelben ein bisschen, rote noch mehr, und für die nicht plakettentauglichen Stinker wird es richtig teuer. So würde die Autoflotte viel schneller in Richtung Schadstoffarmut modernisiert werden als über die Fahrverbote. Damit wären Umweltschutz und Marktwirtschaft kombiniert. Und wenn irgendwann die Grenzwerte verschärft werden sollen, lässt sich das System fortschreiben. Darüber hinaus würde man das Klima schützen und Ressourcen schonen, indem sich alle Autofahrer überlegen, ob ihre Fahrt wirklich notwendig ist.

Finden Sie das sozialer? Die Betroffenen jammern doch gerade deshalb, weil sie sich keine neuen Autos leisten können.

Die Maut wäre deshalb sozialer, weil sie nicht bestimmte Gruppen so hart treffen würde. Dagegen ist die jetzige Regelung mit Fahrverboten doch brutal für Unternehmer wie Handwerker und für Pendler mit alten Autos. Und umgekehrt kommen die besonders schadstoffreichen Oldtimer mit ihrem Freifahrtschein jetzt zu gut weg.

Der bürokratische Aufwand einer Maut wäre aber auch nicht zu verachten.

So schlimm ist das nicht. Anderswo gibt es ja auch Wochen- und Jahresvignetten. Die kann jeder Lottoladen verkaufen. Vor allem würde das ganze System dadurch einsichtiger.

Haben Sie das auch mal dem Senat vorgeschlagen?

Die Verwaltung hat leider unseren Rat nicht eingeholt, aber wir haben diesen Rat schon an verschiedenen Stellen gegeben. Das ganze Feinstaubdilemma kommt ja nur daher, dass sich die Deutschen auf EU-Ebene jahrelang gegen eine Partikelfilter-Pflicht für Dieselfahrzeuge gewehrt haben. Aber dann sollten wir da jetzt so vernünftig wie möglich herauskommen – und nicht mit falsch verstandener Sozialpolitik.

Das Gespräch führte Stefan Jacobs.

Klaus-Martin Groth

war Verwaltungs- und Verfassungsrichter sowie von März 1989 bis Ende 1990 Staatssekretär im rot-grünen Senat bei Umweltsenatorin Michaele Schreyer (Grüne).

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