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Geplante Autobahnverlängerung: Senat kämpft mit 30 Juristen für die A 100

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt über den Autobahnausbau der A 100 - und bezweifelt das Klagerecht des Bezirks. Alternativpläne der Gegner werden schnell abgehakt, doch bei den Verkehrsprognosen gelingt es auch 30 Juristen nicht, eine schlüssige Antwort zu finden.

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Für Siegrid Klauke ist es heute schon zu laut. Seit 1996 wohnt die 77-Jährige an der Elsenstraße in Treptow, auf der bereits jetzt der Verkehr tost. Ihren Balkon hat die Rentnerin wegen des Krachs bereits verglasen lassen – auf eigene Kosten. Nun wehrt sie sich dagegen, dass es vor dem Haus noch lauter und die Luft noch schlechter wird. Die 77-Jährige gehört zu den mehr als 15 Klägern, die sich seit Donnerstag vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen den Weiterbau der Stadtautobahn A 100 vom Dreieck Neukölln zum Treptower Park wehren. Der Bau der rund 3,2 Kilometer langen Strecke soll nach jüngsten Schätzungen rund 475 Millionen Euro kosten. Der Weiterbau wurde im rot-schwarzen Koalitionsvertrag vereinbart.

An der vorläufigen Endstelle würde sich der Verkehr in die Elsenstraße wälzen und das Leben im Kiez unerträglich machen, befürchtet Siegrid Klauke. Umziehen will sie nicht mehr; sie gehört zu den ersten Bewohnern des 1996 gebauten Hauses gegenüber dem Kinokomplex. Auch Ursula Birkner will dort nicht mehr weg. Einen teuren Umzug könne sie sich auch nicht leisten, sagt sie. Auch sie lebt seit 1996 in dem Nachbarhaus von Klauke; nur mit Mühe habe sie damals eine kleinere und bezahlbare Wohnung gefunden. Wie Siegrid Klauke verfolgt sie nun in Leipzig den Prozess.

Begonnen hatte die Verhandlung – vor fast leeren Zuschauerrängen – mit einer kleinen Verspätung. Schnell kam dann aber der Vorsitzende Richter Wolfgang Bier zur Sache. Den Vertretern des mitklagenden Bezirksamts Friedrichshain- Kreuzberg machte er deutlich, dass das Gericht erhebliche Zweifel hat, ob die Verwaltung überhaupt gegenüber dem Senat, der den Weiterbau der Autobahn genehmigt hat, klageberechtigt sei. Eine Entscheidung des Gerichts wird nicht vor Mitte Oktober erwartet.

Einige Punkte hakte das Gericht schnell ab. Dafür beschäftigten sich die Richter intensiv mit der Verkehrsprognose, mit der die Verwaltung den Weiterbau der Autobahn begründet, sowie mit der Luftbelastung und der Staugefahr im Bereich der Elsenstraße.

Bei der Verkehrssprognose haben die Planer nach Ansicht des Vorsitzenden Richters ein „komplexes und anspruchsvolles Berechnungsmodell“ gewählt. Unter anderem ging es darum, wie viel Lkw-Verkehr auf dem neuen Abschnitt erwartet wird. 7,4 Prozent soll der Anteil nach den Berechnungen betragen. Der Richter bohrte nach und wollte unter anderem wissen, warum auch bei vorhandenen automatischen Zählstellen, die den Verkehr von heute messen, nur rechnerisch zwischen Tag und Nacht unterschieden wird. Hier fiel es den Experten der Stadtentwicklungsverwaltung sichtlich schwer, eine schlüssige Antwort zu finden. Dabei waren sie mit rund 30 Juristen und Mitarbeitern vertreten. Die Kläger kamen mit der Hälfte aus.

Die Luftbelastung an der Elsenstraße würde durch eine intelligente Ampelschaltung, die Staus verhindere, nur unwesentlich mehr belastet, argumentierten die Planer, was Klägeranwalt Carsten Sommer jedoch bezweifelte. Ob es bei einem erheblichen Überschreiten der Grenzwerte Einschränkungen im Verkehr geben könnte, wollte die Verwaltung am Donnerstag nicht zusichern. Hier will sie sich heute entscheiden.

Und ob es an der Elsenstraße zum Stau kommen wird, blieb ebenfalls umstritten. Nach einem Gutachten der Verwaltung bleibt der Verkehr dank einer Ampelschaltung stets flüssig, die Kläger berufen sich dagegen auf eine Studie, wonach es Wartezeiten bis zu einer halben Stunde geben könnte.

Immerhin gab es schon einen Trost für Anwohner, sollte die A 100 doch verlängert werden. Nachts und am Wochenende würde bis auf wenige Ausnahmen nicht gebaut, sicherte die Verwaltung vor Gericht nochmals zu.

Die Verhandlung wird am heutigen Freitag fortgesetzt.

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