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Grüne Spitzenkandidatin: Künast setzt allein auf Sieg

Die Grünen-Politikerin sagt es nicht direkt, doch es bleibt kein Zweifel: Sie will in Berlin Rathauschefin werden – oder gar nichts. Die Partei findet das gut.

Von Sabine Beikler

Farbige Symbolik ist Tradition bei Parteitagen. Grüne Luftballons und aufgeklebte grüne Bärentatzen führen zum Eingang der Uferstudios in Wedding. Zwei Tage nach der Bewerbungsrede von Renate Künast um das Amt der Regierenden Bürgermeisterin wollen 156 Delegierte am Sonntag über Inhalte des künftigen Wahlprogramms diskutieren. Renate Künast fährt um kurz nach 12 Uhr im schwarzen BMW mit Chauffeur vor. Ihre Rede soll um 12.15 Uhr beginnen. Doch der Start des Parteitags verzögert sich um eine Dreiviertelstunde: Die aktuelle Tagesordnung fehlt, weil die Drucker überlastet sind.

Der Ort ist für den nicht gerade professionell organisierten Parteitag gut gewählt: Künast tritt um 13.20 Uhr im „Hochschulübergreifenden Ausbildungszentrum für zeitgenössischen Tanz“ vor ihre Parteifreunde. „Es wird jetzt ernst“, sagt die 54-jährige Bundestagsfraktionschefin. Um eine führende Verantwortung in einem Regierungsbündnis gehe es, sie sei bereit zu kandidieren, und „die Berliner Grünen sind bereit auch diese Verantwortung anzunehmen“.

Nach einer Kurzfassung ihrer Rede vom Freitagabend greift Künast ihren SPD-Konkurrenten Klaus Wowereit direkt an, nachdem der Regierende Bürgermeister den Grünen mehrfach „einseitige Klientelpolitik“ und „inhaltsleere Politik“ vorgeworfen hatte. „Er sollte etwas ruhiger sein und arbeiten“, sagt sie. In puncto Mietrecht und steigende Warmmieten würde sich Rot-Rot „die Finger nicht schmutzig machen“. Sich vor konkreten Schritten zu drücken und den Blick auf den Bund zu richten sei „Wohlfühlpolitik“. Der Senat stehe noch ein „geschlagenes Jahr“ in der Pflicht. Er müsse Lösungsvorschläge bieten. Künast weist Wowereits Kritik scharf zurück, die Grünen seien eine „Abstauber-Partei“. Wer habe denn in Sachen Atomausstieg, im Umgang mit erneuerbaren Energien, beim Vorschlag, die Bürgerversicherung einzuführen, von wem abgestaubt, fragt sie rhetorisch – und erhält dafür viel Gelächter.

Auf das Interesse von CDU und Linken an den Grünen geht Künast nicht ein. Sie bleibt bei der SPD, spricht von „meinen Freunden, den Sozialdemokraten“ und sagt: „Die größten inhaltlichen Schnittmengen haben wir mit der SPD.“ Der SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier hatte vor ein paar Tagen das Verhältnis zu den Grünen mit „freundschaftlicher Konkurrenz“ beschrieben. Künast spricht am Sonntag von einer „partnerschaftlichen Konkurrenz“ und sagt: „Ansonsten sollte man die Pfeile wieder in den Köcher stecken.“ Auf Wowereits Forderung, dass sich Künast eindeutig zu Berlin bekennen und auch nach einer Wahlniederlage im Abgeordnetenhaus zur Verfügung stehen müsse, geht die Kandidatin nur indirekt, dafür aber unmissverständlich ein. „Wo immer ich bin, geht es um Berlin.“ Wenn sich Wowereit zum „Fahrkartenhändler“ mache, sage sie ihm: „Ich setze auf Sieg, nur auf Sieg.“ Sie trete an, um Regierende Bürgermeisterin zu werden.

Das heißt im Klartext: Künast hält sich eine Rückfahrkarte in die Bundespolitik offen. Sie steht für die Berliner Landespolitik nur zur Verfügung, wenn sie Regierende Bürgermeisterin wird. Eine Oppositionsführerin Renate Künast wird es in Berlin nicht noch einmal geben.

Bei den Delegierten scheint die Ansage anzukommen, Applaus brandet auf. Die Delegierten nominieren Künast ohne Gegenstimme zur Spitzenkandidatin. Dann gehen sie zum Tagesgeschäft über: Bis zum Abend ziehen sich die Debatten über den Import von Holz als Biomasse hin, über Umwelt-, Verkehrs- und Integrationspolitik. Von früheren Grabenkämpfen keine Spur. Die Diskussionen verlaufen auf fachpolitischer Ebene – als Grundlage für das Wahlprogramm, das Anfang März verabschiedet werden soll.

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